Volltext: Gerhoch von Reichersberg

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fruchtlose Arbeit ist, die wir tun. Darum stellen die 
Schülerinnen ihrem Lehrer, die Töchter ihrem Vater 
einige Fragen und bitten demütigst, du möchtest es 
nicht unter deiner Würde achten, dieselben für sie 
zu lösen." (Abälard und Heloise. 10. Brief.) 
Gerhoch kommt dem Wunsche der Nonnen bereit 
willig nach; er schreibt für sie eine Auslegung des 
Textes „Mariä Himmelfahrt", deren Grundlage die 
Marienliteratur der damaligen Zeit bildet. Der 
Streit um die Person Christi, die Kreuzfahrten haben 
erhöhtes Interesse für Maria erweckt. Mit den Zi 
sterziensern ist die Pflege ihrer Verehrung aus den 
französischen Klöstern auch nach Oesterreich eingewan 
dert. Erzbischof Eberhard von Salzburg, an der Pa 
riser Hochschule herangebildet, hegt, wie die Nonnen 
wissen, so große Andacht zur hl. Jungfrau, daß er 
„Kaplan Mariens" genannt wird. Den Nonnen zu 
Reichersberg, deren Kloster der hl. Jungfrau geweiht, 
sind wohl Verse aus dem Melker Marienlied vertraut: 
„Königin des Himmels, Pforte des Paradieses, 
du erwähltes Gotteshaus, Heiligtum des heiligen Gei 
stes, du sei uns allen gnädig zuletzt im Tode, heilige 
Maria." 
6. G e r h o ch und das Schisma. 
Dem Greisenalter schreitet Gerhoch zu; in ihm 
ist nicht die Interesselosigkeit des sich neigenden Le 
bens, auch nicht die Stille voller Ueberwindung, der 
Kampf um seine Ideen endet erst mit seinem Leben. 
Ein guter und getreuer Wächter im Reiche seines 
Herrn wollte er sein, einer von denen, die er wegen 
ihrer Achtsamkeit in der „4. Nachtwache" feiert. 
Mit Seherblick hat er vorausgesagt, daß die Ku 
rie, die politischen Interessen und manchmal noch nie 
drigeren Rücksichten des Prunkes, der maßlosen Hab 
sucht, das Christentum, Recht und Wahrheit geopfert 
und sich dadurch in ein Abhängigkeitsverhältnis zu 
den politischen Parteien gesetzt hat, den Grund zu 
schweren Verwicklungen in sich trage. (Ueber das Er 
scheinen des Antichrist, 155.) Gerhochs Worte fangen 
an, sich in bitterem Ernst zu erfüllen, als nach dem 
Tode Konrads III. sein Neffe Friedrich Barbarossa 
ihm am 5. März 1152 auf dem deutschen Throns nach 
gefolgt war. 
In Friedrich und seinem Kanzler Reinald von 
Dassel lebt der Plan, den Glanz römischer Kaiser-
	        
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