Volltext: Die Kämpfe im Baltikum nach der zweiten Einnahme von Riga

Zusammenstöße bei Ramozki — Wenden. 
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laufende Sprachgrenze auch als politische Grenze von Eesti (Estland) und 
Latwija (Lettland) angenommen worden war, war das Erscheinen von 
Esten in der Gegend von Wenden ohne Vereinbarung mit den zuständigen 
Stellen zweifellos als ein feindseliger Akt gegen die Regierung Needra 
anzusehen, der aller Wahrscheinlichkeit nach im Einvernehmen mit den 
Engländern erfolgt sein mußte. Ulmanis und sein Anhang waren ent¬ 
schlossen, den Machtkampf gegen die Befreier Rigas und die hinter diesen 
stehende Regierung Needra im Wege des Bürgerkrieges und mit Hilfe einer 
Macht durchzufechten, die bisher den nationalen Wünschen der Latwija 
keineswegs besonders wohlwollend gegenübergestanden hatte. Daß sie dabei 
nicht sehr zurückhaltend in der Wahl ihrer Mittel waren, ergab sich bald 
aus der Feststellung, daß rotgardiftische Überläufer ohne weiteres in die 
Verbände der sich bildenden „Nordfront" eingestellt wurden. 
Die Bedeutung des neuen Gegners beruhte weniger auf seinem kriege¬ 
rischen Können — die Esten hatten sich bisher nur defensiv gegen die 
Bolschewisten gehalten — als auf seinen engen Beziehungen zu den Eng¬ 
ländern und auf der ohnehin schwierigen Gesamtlage der lettländischen 
Truppen. Vorsicht war jedenfalls bei der Schwäche der verfügbaren Kräfte 
geboten. Major Fletcher hielt also seine Kolonnen an und ging aus den 
estnischen Vorschlag ein, zumal da sich diesem auch die Rigaer Vertreter 
der Entente angeschlossen hatten. Er entsprach damit auch der Auffassung 
der deutschen Regierung, die kurz darauf in einem Schreiben an die Oberste 
Heeresleitung erklärte, daß „die Zusammenstöße zwischen dem linken Flügel 
der Daltenwehr und dem westlichsten der Esten die Stellung der Reichs¬ 
regierung empfindlich erschweren". 
Bei den Verhandlungen in Wenden vertrat die Landeswehr die For¬ 
derung, ganz Lettland den lettländischen Truppen') zu überlassen, während 
die Esten die Zurücknahme der lettländischen Abteilungen hinter die Linie 
Neu-Schwanenburg—Segewold—Livländische Aa innerhalb von zwölf 
Stunden verlangten. Der lettländische Gegenvorschlag, der ein abschnitts¬ 
weises Zurückgehen der Esten hinter die Sprachengrenze vorsah, wurde von 
den Esten aus formalen Gründen zurückgewiesen. 
Eröffnung der Feindseligkeiten durch die Esten. 
Noch bevor auf diese Weise die Verhandlungen gescheitert waren, hatten die 
Esten die offenen Feindseligkeiten eröffnet. Am 4. Juni nachmittags erschien 
ein estnischer Panzerzug in der Gegend von Ramozki und schoß einige Gra- 
*) Unter „lettländisch" ist hier und im folgenden alles verstanden, was sich der der¬ 
zeitigen Regierung Needra unterstellt hatte.
	        
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