Volltext: Statistik der Bodenproduction von zwei Gebietsabschnitten Oberösterreichs

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VI. Aöschnitt. 
Landwirthschaftliche Arbeitskräfte. 
Die Verhältnisse der landwirthschaftlichen Arbeitskräfte, besonders aber der menschlichen, hängen innig 
mit der socialen Gesammtgestaltung der landwirthschaftlichen Besitzstände zusammen. 
Diese sind in Oberösterreich bekanntlich, wie auch in den Abschnitten I und VII näher ausgeführt wird, weit 
aus vorwiegend mittelgroße Bauerngüter, und weder der Großgrundbesitz noch der Kleingrundbesitz hat auf die Gestal 
tung des Wirthschaftswesens im Lande, besonders aber der Dienstbotenverhältnisse, einen nennenswerthen Einfluß. 
Der Großgrundbesitz ist nämlich in nicht bedeutendem Verhältniß im Lande zerstreut; das der Landwirth 
schaft im engeren Sinne gewidmete Areale seiner Dominien ist ebenfalls nicht bedeutend; der Großgrundbesitz 
muß sich daher den Arbeiterverhältnissen fügen, wie sie vom überwiegenden Bauernstande ausgehen. Der Klein 
grundbesitz, ebenfalls im Verhältnisse zu den mittleren Bauernwirthschaften nur unbedeutend, braucht einerseits 
keine Dienstboten, liefert aber auch andererseits deren nur wenige, da die Kleinwirthe mit Familie ihre eigene 
Hufe Land bearbeiten und verheiratete Dienstboten nicht gang und gäbe sind. 
Der Bauer hält nur ledige Dienstboten, die ihm ausschließlich zur Verfügung stehen; er will ferner alle 
Arbeit selbst überwachen, überall selbst eingreifen; er veraccordirt keine Arbeit, gibt auch nichts in Pacht, 
wenngleich eine genaue Bilance ihm zeigen würde, daß manches entfernter gelegene Grundstück eher mit Schaden 
als mit Vortheil von ihm selbst bewirthschaftet werden kann; er scheut die baaren Auslagen für die Taglöhner, 
während er die den Dienstboten zu verabreichende Kost gering anschlägt, weil er dazu wenig zu kaufen braucht. 
Daher hält sich in der Regel der Bauer so viele Dienstboten, daß er selbst zur Zeit der dringendsten Ar 
beiten entweder keine oder nur auf sehr kurze Zeit (während der Getreideernte) einige Aushilfe, d. h. Taglöhner, 
braucht. Selbstverständlich entstehen dadurch Zeitperioden, in welchen es für die Dienstboten, die er durch das ganze 
Jahr halten muß, nicht hinlänglich Beschäftigung gibt; weßhalb auch die gesetzlich längst abgeschafften Feiertage 
in Oberösterreich noch als sogenannte Bauern-Feiertage fortbestehen, da sie meist in Zeiten treffen, wo in der 
Regel die landwirthschaftlichen Arbeiten nicht so sehr sich anhäufen und drängen. 
Außer diesen Lasten bringt dieses Dienstbotenwesen noch andere wesentliche Nachtheile mit sich. Da 
nämlich jeder Bauer ledige Dienstboten braucht, und fast der ganze Grundbesitz in Händen solcher Bauern ist, so 
entsteht ein für die Besitzer höchst unvortheilhaftes Verhältniß des Angebots zur Nachfrage in Bezug auf land 
wirthschaftliche Hilfsarbeit. Daher die verhältnißmäßig starken Anforderungen des oberösterreichischen Bauern 
knechts und der Bauerndirne. Dieselben verlangen und bekommen in der Regel eine Kost, welche nicht nur sehr gut 
und besonders aus werthvollen theuren Nahrungsstoffen bereitet, sondern auch so reichlich sein muß, daß von den 
Ueberbleibseln noch eine Menge Bettler betheilt werden können, weßhalb auch das flache Land in Oberösterreich 
das Eldorado der Landstreicher und zwar nicht nur solcher aus dem Kronlande selbst, sondern auch aus den benach 
barten Ländern ist. In den meisten Gegenden Oberösterreichs besteht der Gebrauch, daß nicht nur fünfmal des 
Tages gegessen werden muß, sondern auch vom Mittagmahle jeder Dienstbote gewisse leicht transportable Speisen, 
kaltes Fleisch, Käse, Weißbrod u. dgl. sich erübrigen und diese entweder in den Zwischenzeiten zwischen den fünf 
Mahlzeiten verzehren oder auch verkaufen kann. 
Außerdem verlangen und erhalten Knechte und Mägde täglich Obstmost, durchschnittlich 1 Maß, was für 
den oberösterreichischen Bauer die Rentabilität seiner Obstgärten, denen natürlich der beste Platz eingeräumt ist 
und der beste Dung und die beste Arbeitskraft zukommt, durchschnittlich auf Nichts reducirt, da in die Städte 
nicht viel und ins Ausland nichts von Most, auch nicht viel von Obst kommt. 
Da nun die Befriedigung jener Ansprüche den Bauern immer drückender wird, ziehen sie nicht selten 
krüppelhafte, selbst schwachsinnige und halb verkommene Arbeiter blos wegen deren Anspruchslosigkeit vor und 
kommen dabei in geringeren Verlust, da die Einbuße an Ertrag in Folge minderer Arbeitsleistung nicht so groß 
ist, als die Mehrauslage für anspruchsvollere Arbeiter. 
Außer den ständigen Dienstboten und den oft nur zu bestimmten Zeiten zureisenden eigentlichen Tag 
löhnern (Erntearbeitern) hat mancher größere Bauer auf einem zugekauften (meist walzenden) ganz kleinen 
Häuschen eine Familie oder einzelne Person in Wohnung, ohne Geldzins, aber mit der Bedingung, daß diese 
Wohnparteien erforderlichen Falles vor Allem dem Besitzer im Taglohn arbeiten, daher solche kleine Zulehen 
auch gewöhnlich „Taglöhnerhäus'l" genannt werden.
	        
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