Volltext: Die Rainer am Cimone

Doch noch immer wird der Grabenausgang blockiert. 
Die Schüsse scheinen jetzt auch von halb rechts unten zu 
kommen, wo wir Kavernen vermuten. 
Die Handgranaten sind den vordersten Kämpfern aus 
gegangen. Die bisher noch nicht in Aktion getretene Mann 
schaft gibt sie nach vorne ab. 
Handgranate um Handgranate saust jetzt in die Ge 
gend, wo wir die Kavernen vermuten. 
Hiebei spielt eine gewisse Arbeitsteilung zwischen 
Zgf. G a r n e i e r und Kpl. O r t n e r eine nicht unwesent 
liche Rolle. O rin er reißt die Handgranaten ab, Gar 
neier wirft sie mit fabelhaftem Geschick. Unbekümmert 
um die Sprengstücke, die ihn umschwirren, nichtachtend 
des Infanteriefeuers, das sich als Antwort der Italiener 
nach jeder Explosion auf das kleine Häuflein Rainer 
richtet, steht er da, ein Sinnbild von Unerschrockenheit 
und Mannesmut, ein leuchtendes Beispiel für seine Um 
gebung. Da erreicht ihn das Schicksal. Eben will er die 
Wirkung einer Handgranate beobachten; er beugt sich 
etwas vor. Seine Hand greift plötzlich auf die linke Brust 
seite, fahle Blässe bedeckt sein Gesicht. „Jetzt hat’s mi" 
sind seine letzten Worte. Er wankt im Graben zurück. 
Wir sahen ihn nicht wieder. 
Schon hat Kpl. Ortner seine Stelle eingenommen. 
Doch von hier aus ist den Italienern schwer beizukommen. 
Fhnr. Dautinger entschließt sich daher, den Feind von 
einer zweiten Stelle aus anzugreifen. 
Einj.-Frw. Kpl. M i ch e I, Einj.-Frw. Kpl. W o r o b e c 
und noch einige Infanteristen sollen dies durchführen. 
Einj.-Frw. Michel verläßt mit seinen Leuten den rück 
wärtigen Teil des vom Feinde uneingesehenen Graben 
stückes. Jetzt klettern, kriechen und rutschen sie über eine 
kleine, aber steile Geröllhalde hinunter und gelangen zu 
einem kleinen Felskopf am Rande des gegen Westen steil 
abfallenden Hanges. Einige Felsspalten bilden will 
kommene Deckungsmöglichkeiten. Von diesem Standpunkt 
aus konnte Einj.-Frw. Michel rückwärtsschauend den 
ganzen Westhang des Cimonekopfes überblicken. 
In die Deckungen und Kavernen, um deren Bekämpfung 
sich die Gruppe Kpl. Ortner, aber auch die Mann 
schaften der noch immer südlich des Sprengtrichters fest 
gehaltenen Kolonne Lt. Hager bemühen, kann er nun 
von vorne hineinschießen. 
Es ist hell geworden. Jetzt wird der Herd des zähen 
Widerstandes von drei Seiten aus systematisch bekämpft. 
Einj.-Frw. Michel kann jetzt beobachten, wie sich die 
Mannschaften der Kolonne Lt. Hager anschicken, die 
etagenförmig am Hang erbauten Deckungen zu säubern. 
Er kann dieses Vorgehen von unten durch sein Feuer treff 
lich unterstützen. 
Man ruft den Italienern einige Brocken in ihrer Sprache 
zu, die die Aufforderung, sich zu ergeben, ausdrücken 
sollen. Viele scheinen darauf gewartet zu haben, zögernd 
kommen sie aus ihren Verstecken: zehn, zwanzig, hundert, 
hundertfünfzig! Ihr Zug scheint kein Ende zu nehmen. Sie 
Einj.-Frw. Kpl. Adolf Michel 
1. Komp. 
Einen wesentlichen Beitrag zur Auflockerung und Über 
windung des feindlichen Widerstandes am Westhang des 
Cimonekopfes leistete Einj.-Frw. Kpl. Michel, dem es durch 
eine schneidig durchgeführte Umgehung gelang, die aus 
den etagenförmig übereinander erbauten Deckungen 
herausfeuernden feindlichen Schützen in der Flanke^ zu 
fassen. Diesem initiativen Eingreifen, das in Übereinstim 
mung mit den nunmehr auch vom Hang her vordringenden 
Rainern erfolgte, gelang es, die letzten Widerstände zu 
brechen und hunderte Gefangene einzubringen. — Die 
silberne Tapferkeitsmedaille II. Kl. lohnte die Tat Michels. 
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