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Feldwache und im Verbindungsgraben im Gange sein.
Durch zeitweise abgegebene Schüsse soll der Feind in der
Meinung bestärkt werden, daß unsere Stellungen besetzt
sind. Die letzten Posten dürfen erst zwei Minuten vor der
Sprengung zurückgehen. Kdtt. Kokes ist unter ihnen.
Es ist 5.40 Uhr. Bange Minuten verstreichen. Das Ge
lingen der ganzen Aktion hängt an einem Faden.
Es wird Zeit, sich bereit zu machen.
In geschäftiger Eile werden die letzten Anordnungen
getroffen, der Vollzug verschiedener Maßnahmen über
prüft.
Der Zeitpunkt der Sprengung naht heran.
In die Menschenmassen kommt Bewegung, sie rüsten
sich. Hier und dort erschallt die resolute Stimme eines
Unteroffiziers. Die taktischen Einheiten werden geordnet.
Währenddem fliegen ermunternde Worte hin und her.
Ein Witzbold hat eine kleine Gruppe zu einem herz
erquickenden Lachen angeregt. Diese Munterkeit steckt
den ganzen Unterstand an. Eine Frage löst die andere
aus und es wäre bei der Sangesfreudigkeit unserer
„Landler” zweifellos noch zu musikalischen Produktionen
gekommen, wenn nicht Offiziere und Unteroffiziere den
Lärm väterlich mahnend gedämpft hätten.
Nun stellt sich die Kolonne, soweit dies überhaupt
bei den Platzverhältnissen möglich ist, knapp hinter die
aus starken Balken gefertigte Kavernentür sprungbereit
auf. Oblt. H u e b e r hat die Uhr in der Hand. Alles wartet
auf das, was kommen soll.
Es ist 5.44 Uhr.*) Höchste Spannnung malt sich auf den
Gesichtern der lautlos Wartenden.
5.45 Uhr.
Oblt. Mlaker hat auf den Taster der Glührohr
zündung gedrückt.
Zwei dumpfe Detonationen, hierauf ein Rollen, das sich
wie entfernter Donner ausnimmi. Der Berg bebt und zittert.
Wir haben das Gefühl, als ob unsere Kaverne eine
Dehnung mitmachte, dann folgt unheimliche Stille.
Trotzdem ist in den Gesichtern vieler Landler Ent
täuschung zu lesen. Sie beurteilen, an das nerven
peitschende Krachen und Bersten schwerster Granaten
und Minen gewöhnt, den in der Kaverne vernehmbaren
abgedämpften Lärm der Sprengung als nicht vollwertig.
Rufe, die ein Mißglücken der Sprengung ausdrücken sollen,
werden laut.
Doch wir haben anderes zu tun, als solche Betrachtun
gen anzustellen.
Es gilt vor allem, die Kavernen rechtzeitig zu verlassen.
Die Ungeduld der Rainer steigert sich aufs höchste. Ohne
*) Sommerzeit.
Die Erstürmung des Mte. Cimone am 23. September 1916
Nach einem im Rainermuseum auf der Feste Hohensalzburg befindlichen großen Gemälde vom Kriegsmaler Karl
Reisenbichler. An der Spitze der Stürmer, Oblt. i. d. R. Anton Hueber.