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Donner rollt widerhallend über das Gebirge. Orgelnd
braust mit einemmal in den entwipfelten Bäumen der
Sturm. Geblendet von den zuckenden Blitzen empfinden
wir stärker als sonst das Dunkel der Nacht. Ein Gewitter
regen hat eingesetzt. Nun rattern unsere Maschinen
gewehre. Sie überschießen unser Vorgehen. Der immer
schmäler werdende Vorrückungsraum bildet mit seinen
beiderseits abfallenden kleinen Felswänden eine ständige
Bedrohung der im Finstern vortappenden Mannschaften.
Kaum ist das Feuer unserer Maschinengewehre verstummt,
als ein mörderisches feindliches Infanterie- und Maschinen
gewehrfeuer einsetzt. Ein Hagel von Steinen und Hand
granaten ergießt sich auf die Stürmenden, die furchtbare
Verluste erleiden. Plötzlich erhellt der Kegel eines großen
Scheinwerfers den Gipfel. Es ist ein eigener, der vom
Plateau von Castelletto aus herleuchtet. Leider kommen
auch wir in seinen Wirkungsbereich. Das rasende
Maschinengewehrfeuer, das jetzt den hell erleuchteten
schmalen Grat gegen jede weitere Vorrückung abriegelt,
fügt den sich dort stauenden Angriffswellen furchtbare
Verluste zu. Dasselbe Spiel wie gestern abend!
Das Felsennest speit Tod und Verderben. Ein Vorwärts
kommen ist unmöglich. Es herrscht ein unbeschreiblicher
Lärm. Handgranaten krepieren mit Getöse in ununter
brochener Aufeinanderfolge knapp vor unserer Linie. Ein
Splitter verwundet Lt. H a i n i s ch am Kopf. Verwundete
schreien nach der Sanität. Im rollenden Donner verebbt
selbst das Rattern der feindlichen Maschinen und das
Hurrageschrei der immer wieder zum Sturm ansetzenden
Mannschaften der 4. Komp. Offiziere und Chargen müssen
ihre ganze Stimmkraft aufwenden, um sich in diesem tollen
Lärm überhaupt verständlich zu machen. Jedes Kommando
unsererseits wird von dem nur wenige Schritt über uns
befindlichen Feind mit einem kräftigen Fuoco! Fuoco! be
antwortet, dem ein Hagel von Geschossen aller Art folgt.
Unter diesen Umständen können wir es wohl nicht mehr
verantworten, ein zweckloses Hinopfern von Menschen
noch weiter in die Länge zu ziehen. Oblt. H a n i k a meldet
Mjr. Bär die für uns unhaltbare Situation und knüpft
daran die Bitte, beim Regiments-Kommando vorstellig zu
werden, damit ein unnützes Blutvergießen vermieden wird.
Obst. Lauer kann sich auf Grund der genauen Situa
tionsmeldung sowie der Mitteilung über den physischen
Zustand der abgekämpften Kompagnien den Vorhalten
nicht verschließen. Nicht so die höheren Kommanden, die
noch immer von der Auffassung beherrscht sind, durch den
Einsatz weiterer Truppen das Kriegsglück wenden zu
können. Um 5 Uhr früh wird die 3. Komp., die bereits
gestern abends von ihrem Standort bei Campana in den
Raum der bisherigen Unterkünfte der 2. Komp, vorgezogen
wurde, alarmiert. Sie hat die Hauptstellung zu besetzen.
Oblt. N a k e, der yom Brigade-Kommando unterdessen
den Befehl erhielt, mit der 1. Komp, und der MGA. I so
fort auf den Cimonekopf abzumarschieren, trifft dort um
5.40 Uhr früh ein. Nach einer genauen Orientierung kommt
er zur Überzeugung, daß ein erfolgreicher Angriff auf den
Gipfel, dessen oberster Teil aus zwei bis drei Meter hohen
Felsblöcken besteht, gegenwärtig ausgeschlossen ist.
Lt. i. d. R. Eduard Heinisch
Kommandant der 4. Komp.
wurde bei dem Nachtangriff zur Wiedergewinnung des
Cimonegipfels am 24. Juli 1916 leicht verwundet.