Volltext: Alt-Wiener Kulturbilder [322/323]

Vor dem neuen Krieg. 
In der zweiten Hälfte des Jahres 1808 sprach man in 
Wien von nichts anderem, als einem neuen Kriege mit 
dem Kaiser der Franzosen. Der Übermut des Korsen, seine 
Wortbrüchigkeit, seine verletzenden Übergriffe empörten jedes 
ehrliche Herz. Die Erbitterung, mit der jedermann von ihm 
sprach, war ungeheuer. Die Behörden mußten ernste Maß— 
regeln ergreifen, um das Volk im Zaume zu halten, sonst 
hätte es jeden französischen Sprach- und Tanzmeister, jeden 
französischen Koch und Domestiken, wo es solchen an öffent— 
lichen Orten begegnete, mißhandelt, und um nicht Insulten 
ausgesetzt zu sein, hatten sich,der französische Botschafter und 
seine Attaches sehr vorsichtig zu benehmen. 
Anm tollsten ging es in den Bierhäusern und Kneipen zu, 
wo die Harfenisten ihre Schmählieder gegen Napoleon sangen. 
Unter ihnen trieb es am ärgsten der sogenannte „blinde 
Poldl“. Er nannte ihn einen Räuber, einen diebischen Vaga— 
bunden, einen hergelaufenen Kerl und bediente sich derart 
beleidigender Ausdrücke, daß die Polizei einschreiten und diese 
Ergießungen eines aufgeregten Bänkelsängers unterdrücken 
mußte. Nun wurde es noch schlimmer. Poldl durfte seine 
Spottlieder zwar nicht mehr singen, aber die Melodie durfte 
er auf der Harfe spielen. Dazu sang das Volk die Texte und 
das wüste Treiben wurde nur umso ausgelassene. 
Ein Lied war besonders frech. Es hieß: „Der französische 
Hiesel“. Hätte Napoleon von diesem Liede eine Abschrift er— 
halten, er würde bei seinem zweiten Besuche in Wien das 
Haus und den Garten „Zum Kegel“ an der Wien, wo der 
„französische Hiesel“ allabendlich gesungen wurde, zumindest 
haben niederreißen, den Wirt Herrn Sturm à la Palm hin— 
richten und die Stammgäste dezimieren lassen. 
Es wunderte sich jedermann, daß Napoleon von diesem 
Spottlied nichts erfuhr, da er doch so viele Spione in Hster— 
reich und namentlich in Wien hatte; aber entweder erschiewn 
es ihnen allzu gemein oder der französche Botschafter hatte 
nicht den Mut, eine Abschrift dieser schmählichen Knüttelreime 
seinem Herrscher nach Paris zu senden.
	        
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