Volltext: Alt-Wiener Kulturbilder [322/323]

Die Zopfpveriilger. 
Das Jahr 1806 wird für die Wiener Friseure ewig denk— 
würdig bleiben. Nachdem man schon einige Zeit vorher die 
lächerlichen Haarbeutel ausgerottet hatte, ging man nun 
den Haarzöpfen zu Leibe und man konnte annehmen, daß an 
jedem Tage der verhängnisvollen Schere mehrere hundert 
zum Opfer fielen. 
Den Anfang machten natürlich die jungen Leute. Bei 
dem Friseur in der Kärntnerstraße, im sogenannten „Greifen— 
Hause“ (jetzt „Zum Erzherzog Karl“), sah man ganze Kisten 
voll abgeschnittener Zöpfe. So sehr auch die Vorfleher in den 
öffentlichen Amtern gegen diesen Vernichtungskrieg eiferten 
und den jungen Beamten drohten, sie in die Konduitlisten 
als Modegecken einzutragen, so kümmerten sich diese doch 
wenig darum und ließen sich ihre Haarzöpfe, wie man damals 
scherzweise sagte, „guillotinieren“. 
Die alten Beamten und Bürger aber ihrer Zöpfe zu 
berauben, war schlechterdings unmöglich. Trug irgend ein 
Philister keinen Haarzopf mehr, so hatte er ihn entweder 
durch eine Krankheit oder eine Gewallttat eingebüßt. Lettere 
übten gewöhnlich die Frauen aus, wenn ihre Gatten schliefen 
oder sich ein Räuschchen antranken. In solchen Stunden 
wurden viele hunderte von Zöpfen vertilgt. 
Der Vorstand des Regierungsexpedits — Andreas Edler 
von Jolliot war sein Name — hing so sehr an der alten Zeit, 
daß er noch wie zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia, wo 
derlei Sitte war, den gestickten Staatsfrack, die kurzen Bein— 
kleider, die langen seidenen Strümpfe, Stöckels chuhe und eine 
steife Perücke trug. Nur den Haarbeutel hatte er mit dem Zopf 
vertauscht und den Staatsdegen abgelegt. Da er gegen seine 
Untergebenen besonders strenge vorging, wenn sie sich ihrer 
Kopfzierde entledigten, beschloßen sie, ihn der seinigen ge— 
waltsam zu berauben, und mieteten zu diesem Zwecke ein 
paar Burschen, die gegen ein gutes Trinkgeld zu solchen Über- 
fällen zu haben waren. 
Jolliot hatte die Gewohnheit, im Winter seine Abende 
im Bierhaus „Zum Säbel“ auf der hohen Brücke zuzubringen, 
wo er eine Menge gleichgesinnte alte Beamte antraf:. Der 
Alt⸗Wiener Kulturbilder.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.