Volltext: Alt-Wiener Kulturbilder [322/323]

Eine Hinrichtung. 
Seit dem Jahre 1786 fand in Wien keine Hinrichtung 
mehr statt. Seit dieser Zeit häuften sich aber die Raubmorde, 
namentlich in Ungarn und Galizien, so sehr, daß Kaiser 
Franz sich bewogen fand, die Todesstrafe in sein neues Gesetz— 
buch vom Jahre 1804 wiedèr aufzunehmen. Der Pöbel von 
Wien, der nicht schlechter, aber auch nicht besser ist als jeder 
andere, war darüber besonders erfreut, denn es eröffnete sich 
ihm die Aussicht, wieder einer öffentlichen Hinrichtung bei— 
wohnen zu können. Einen armen Sünder „ausführen“ zu 
sehen, ist ihm so lieb wie ein „Kirchtag“ und steht ihm höher 
als ein Volksfest. Ein solches trauriges Ereignis wurde auch 
fast so begangen; es wurden in der Nähe des Galgens Buden 
aufgeschlagen, in denen man Wein, Bier, Würste, Gugelhupf 
erhalten konnte, nur die Tanzmusik fehlte. 
Als sich daher am 20. März 1808 in Wien die Nachricht 
verbreitete, daß tags vorher zwischen acht und neun Uhr 
abends im Rosmaringäßchen an einer herrschaftlichen Be— 
dientenswitwe, welche einige wertvolle Schmucksachen besaß, 
ein entseßlicher Mord begangen worden sei, da waren-die 
Stadt und die Vorstädte wohl über die Ruchlosigkeit des 
Täters empört, bald aber freute man sich über die Aussicht, 
daß der Mörder rasch ausgeforscht und auf den „hohen 
Wagen“ gesetzt werde, um nicht, wie früher, auf dem Raben— 
stein in der Roßau, sondern auf dem Wienerberge bei der 
„Spinnerin am Kreuz“ am Galgen zu enden. 
Die Polizei kam auch dem Verbrecher durch die geraubten 
und an einen Trödler verkquften Perlen schnell auf die Spur 
und schon am 13. Mai wurde ihm von dem Balkon des 
Schrannengebäudes das Todesurteil vorgelesen und der Tag 
der Hinrichtung auf den 16. Mai, einen Donnerstag, fest— 
gesetzt. Nun wußte der Pöbel von nichts mehr zu sprechen, an 
nichts mehr zu denken, als an das zu erwartende greuliche 
Schauspiel .
	        
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