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Politisches Zwischenspiel
Bei den Verhandlungen pflegte die Ulmanis-Regierung scharfen Forde¬
rungen, wie dem Ultimatum des Generalkommandos vom 16. März, nach¬
zugeben, aber sofort die alte Taktik an anderer Stelle wieder auf¬
zunehmen.
Persönliche Aussprachen, wie gelegentlich des Besuches des Minister¬
präsidenten beim Grafen von der Goltz am 22. März, führten bei dem schwie¬
rigen Charakter der lettischen Minister nur zu vorübergehender Entspannung.
Im vorliegenden Fall kam der Kommandierende General der lettischen
Regierung insofern entgegen, als er die Z w a n g s a u s h e b u n g in
einigen wenigen Orten gestattete und am 26. März die Grenze zwischen
Operations- und rückwärtigem Gebiet ostwärts in die Linie Griwaitschen
—Kurssitten—Frauenburg—Kabillen—Usmaiten-See—Pufsen-See—Gr.#
Jrben verlegte. Der Bezirk der Kommandantur Windau sollte Operations¬
gebiet bleiben. In diesem hatten die Kommandeure der Fronttruppen die
alleinige Befehlsbefugnis. Es wurde anheimgestellt, zu ihnen lettische Ver¬
bindungsoffiziere zu entsenden. Die Errichtung selbständiger lettischer Kom¬
mandanturen im Operationsgebiet wurde als ausgeschlossen bezeichnet und
die Beibehaltung deutscher Kommandanturen an wichtigen Punkten des
Etappengebiets vorbehalten, desgleichen der Schutz der Bahnen Libau—
Murawjewo—Mitau und Prekuln—Schkudp sowie der uordkurischen
Bahnen durch die Landeswehr.
Die Fragen der Zwangsmobilisierung und der Bildung ört-
licherSelbstschutzformatiouen blieben strittig. Auch eine neue
Besprechung von Vertretern des Generalkommandos, der deutschen Gesandt¬
schaft und der lettischen Regierung am 4. und 5. April führte nur zur
Herausarbeitung der gegensätzlichen Auffassungen: Die Letten bestanden auf
der Zwangsmobilisierung, die Deutschen fühlten sich durch eine solche
bedroht und verwiesen auf die Freiwilligenwerbung. Es blieb schließlich
bei dem bestehenden Verbot, von dem nur hinsichtlich der Offiziere und
Unteroffiziere eine Ausnahme gemacht wurde.
Auch die Verhandlungen mit der englischen Sondermission
kamen über kleinliche Streitigkeiten nicht hinaus, wobei wirtschaftliche
Fragen, wie das Eigentumsrecht an den von der deutschen Verwaltung
angesammelten Holzvorräten, im Vordergrund standen. Nach wie vor
wurde von Ententeseite die Frage des Seeverkehrs benutzt, um eine
schrankenlose Bewaffnung der Letten durchzuführen.
Gegen die Bolschewisten im Lande und ihre Freunde suchte sich das
Generalkommando durch Verhängung des Standrechts über
das Operationsgebiet zu sichern.