Volltext: Die politischen Kämpfe um den Frieden (1916 - 1918) und das Deutschtum

Der Wendepunkt des Weltkrieges 81 
vom 26. April 1915 bis Ende 1917 die Kapitelüberschrift „Illusionen" 
erhalten darf. 
Der Erforscher der politischen Geschichte des Weltkrieges dürfte daher 
über die Friedensaktion Papst Benedikts XV. rascher hinweggehen, als eS 
1917 und in der Nachkriegszeit namentlich in Deutschland geschehen ist, 
wenn nicht ihr Ursprung und ihre Folgen den Ablauf der Ereignisse am 
Wendepunkt des Weltkrieges entscheidend beeinflußt hätten. 
Ehe sich Benedikt XV. entschloß, als Friedenövermittler hervorzutreten, 
sind mannigfache Anregungen an ihn herangetreten, an denen wir nicht 
vorbeigehen dürfen, wenn die Verflechtung allgemeiner und besonderer 
Motive seines Entschlusses mit dem gewählten Zeitpunkt historischem Ver¬ 
ständnis erschlossen werden soll. 
Die ersten Anregungen fallen noch vor den Anschluß Italiens an die 
Entente. Am 12. Oktober 1914 entschloß sich der belgische Ministerpräsident 
und Kriegsminister de Broqueville auf Rat des Direktors der Zeitung 
„XX" Siede“ Neuray in Ostende kurz vor Räumung der Stadt diesen 
und den Kabinettschef de Paeuw mit einem Begleitschreiben an den 
Kardinalstaatssekretär nach Rom zu schicken, um den Papst für seinen 
Plan der Sprengung des Zweibundes zu gewinnen. Überzeugt, daß der 
Krieg der Vorherrschaft Preußens in Deutschland ein Ende machen werde, 
riet er zu seiner Abkürzung und zur Rettung der Donaumonarchie, die sonst 
sicher Ungarn, Galizien und Böhmen verlieren würde, Sonderfriedens¬ 
verhandlungen zwischen dieser und der Entente zu vermitteln. Den Preis 
des Abfalls Österreich-Ungarns vom Jweibunde sollte Preußen zahlen 
durch Abtretung seiner polnischen Landesteile an Rußland, Elsaß-Loth¬ 
ringens an Frankreich, ferner durch Abtretung seiner Kolonien, Ausliefe¬ 
rung der deutschen Flotte und Kriegsentschädigung. Auch Belgien hatte 
Broqueville einen Grenzstrich zugedacht. Für den Kaiser von Österreich 
wäre jetzt der Augenblick gekommen, für Sadowa Vergeltung zu üben, 
die katholischen Deutschen in einem wiederhergestellten römischen Reich 
unter seinem Szepter zu vereinigen und dem Luthertum und dem preußischen 
Militarismus Schranken zu ziehen. Von Gasparri am 22. Oktober 1914 
empfangen, erhielten die Sendboten Broquevilleö in einer zweiten Audienz 
am 25. Oktober nach Rücksprache des Kardinalstaatssekretärs mit Bene¬ 
dikt XV. und dem ehemaligen Wiener Nuntius Kardinal Agliardi den 
Bescheid, daß man Österreich nicht verhindern werde, den Jweibund zu 
kündigen, daß man aber aus Rücksicht auf die österreichischen und deutschen 
Katholiken in Wien dazu nicht raten könne. Etwas weiter ging Benedikt XV. 
Fester, Politische Kämpfe 
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