Die Richtlinien Czernins
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seiner Denkschrift bearbeiten. Wie daS geschehen ist und wann Wassilko
namentlich mit Erzberger und Südekum verhandelt hat, werden, sozusagen
als Epilog des II-Boot-Krieges, historische Minensuchboote noch ermitteln
müssen. Ich halte auch heute noch daran fest, daß es Czernin nicht um die
Annexionen verwerfende spätere Friedensresolution des Reichstages, son¬
dern um Verbreitung einer Panikstimmung unter den Abgeordneten zu tun
war, die der Opferbereitschaft des deutschen Volkes vorarbeiten sollte. Zur
Mitteilung seiner Denkschrift an Erzberger ist er in seiner Abneigung, un¬
zünftigen Mittelspersonen etwas Schriftliches einzuhändigen, viel zu vor¬
sichtig gewesen. Werkmann will von Kaiser Karl und dem Flügeladjutanten
Korvettenkapitän von Schonta erfahren haben, daß Erzberger am 24. April
in dem Umschlag der Schriftstücke, die er am 2g. in der einstündigen Badener
Audienz zurückgelassen hatte, zu seinem Erstaunen die ihm bereits bekannte
Denkschrift fand und dem Kaiser zurückschickte. Gekannt hat er aber nach¬
weislich am 23, April vor der Audienz nur die Bemerkungen Czernins
„über die Ergebnislosigkeit des I7-Boot-Krieges und über die schwierige Lage
Deutschlands", die ihm vor der Wiener Reise auf Veranlassung des Reichs¬
kanzlers der Gesandte von Bergen vorgelesen hatte mit der Bitte, in Wien
Czernins Bemerkungen zu widerlegen und „darauf hinzuweisen, daß die
Erfolge des I7-Boot-KriegeS doch recht erheblich wären". Er hat also die
schwerlich zufällig in den Umschlag geratene, von ihm am 23. Juli in einer
Ientrumsversammlung in Frankfurt a. M. verlesene Denkschrift entweder
nicht zurückgegeben oder vor der Rückgabe abgeschrieben.
Als diese Mine gelegt wurde, war die Sonderfriedensaktion des Prinzen
Sixtus bereits erledigt. Weder der Bericht des Prinzen noch der vermeint¬
liche italienische Friedensfühler vermochten jedoch Czernins Glauben an
die in den vier Punkten vermuteten westmächtlichen Präliminarien zu er¬
schüttern. So wie er sich den Zusammenhang der Dinge zurechtlegte, war
an die Stelle des durch die russische Märzrevolution erledigten vierten
Punktes ein italienischer Punkt getreten. AuS den neuen Richtlinien, die
er offenbar schon vor der zweiten Wiener Reise des Prinzen SixtuS für
Kaiser Karl niederschrieb, ersieht man, wie er sich das Weiterspinnen des
tatsächlich abgerissenen Fadens dachte. Eine Gebietsabtretung wurde jetzt
von ihm in Erwägung gezogen, wenn Österreich-Ungarn für den „helden¬
haft verteidigten Boden" eine entsprechende Kompensation erhielte. Die
abermalige Nichterwähnung Rumäniens bestärkte ihn in der Hoffnung,
daß die Westmächte das mit österreichischem Blut getränkte Trentino ita¬
lienischer Zunge, an das er, ohne es zu nennen, bei der Gebietsabtretung