Volltext: Die politischen Kämpfe um den Frieden (1916 - 1918) und das Deutschtum

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Drittes Kapitel 
Kronprinzen, ohne daß bis jetzt ersichtlich wäre, wann der Kaiser die Ham¬ 
burger Richtlinien seines Ministers sich zu eigen gemacht hat. Auch geht 
aus dem Briefe an den Kronprinzen nicht hervor, wann Kaiser Karl das 
Angebot dem deutschen Kaiser gemacht hat, wahrscheinlich während der 
Armand-Revertera-Verhandlungen kurz vor dem 20. August, weil er den 
Kronprinzen um die Befürwortung des Vorschlags bei seinem Vater ersucht. 
Mensdorffs vergebliches Warten auf eine französische Ansprache hielt 
Czernin nicht ab, nach Homburg zu dem Druckmittel der Drohung zu 
greifen. Seine Denkschrift vom 12. April, die Kaiser Karl mit einem 
Begleitschreiben an Kaiser Wilhelm II. am folgenden Tage durch einen 
Flügeladjutanten in Kreuznach überreichen ließ, wiederholte, was er am 
16. und 26. März in Wien und Berlin gesagt hatte. Neu war darin im 
Rekordmonat der I7-Boot-Erfolge die Behauptung, daß „an einen Nieder¬ 
bruch des gewaltigsten und gefährlichsten Gegners England auch nicht 
einmal zu denken" sei. Er hielte daher „in einigen Monaten den Augen¬ 
blick für weitgehende schmerzliche Opfer der Zentralmächte für gekommen" 
und müsse im Auftrage Kaiser Karls der deutschen Reichöleitung sagen, 
daß angesichts des drohenden Zusammenbruchs der Monarchie „Deutsch¬ 
land über den Spätsommer hinaus nicht mehr auf Österreich-Ungarn werde 
rechnen können". Das konnte in Kreuznach als Drohung mit einem Sonder¬ 
frieden und mit Kündigung des Zweibundes gedeutet werden. Ob Czernin 
im April 1917 entschlossen war, mit dieser Drohung ernst zu machen, falls 
sich Deutschland gegen weitgehende schmerzliche Opfer sperrte, darf un- 
erörtert bleiben. Die Möglichkeit eines Sonderfriedens hat er von vorn¬ 
herein sehr skeptisch beurteilt und ein annehmbares Angebot der Westmächte 
lag noch nicht vor, aber er sagte sich nach den bisherigen Erfahrungen 
offenbar, daß er nur mit dem Schreckgespenst des baldigen Zusammenbruchs 
der Monarchie den deutschen Verbündeten nicht zu dem Opfer der Reichs¬ 
lande zwingen werde. 
Die Abberufung Mensdorffs, der vom Auswärtigen Amt richtig beur¬ 
teilte italienische Friedensfühler und der Umstand, daß von der Sonder¬ 
friedensaktion des Prinzen Sixtus noch nichts durchgesickert war, nahmen 
auch diesem Druckmittel seine Wirkung, wie schon die vorläufige Antwort 
Kaiser Wilhelms an Kaiser Karl vom 14. April erkennen ließ. Wirksam 
konnte es nur werden, wenn der Reichsregierung die Möglichkeit genommen 
wurde, sich auf die Ablehnung des zugemuteten Opfers durch das deutsche 
Volk zu berufen. Czernin ließ daher durch den österreichischen Parlamen¬ 
tarier Freiherrn von Wassilko deutsche Reichstagsabgeordnete im Sinne
	        
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