Volltext: Die politischen Kämpfe um den Frieden (1916 - 1918) und das Deutschtum

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Erstes Kapitel 
eS ihm 1925 nachgeschrieben —, daß das Angebot von Rußland aus¬ 
gegangen sei. In Wahrheit hatte es damit folgende Bewandtnis: In 
Washington hatte man aus der Bestürzung des designierten Botschafters 
Graf Tarnowski und aus der Bitte Czerninö, die diplomatischen Be¬ 
ziehungen mit der Monarchie nicht abzubrechen, mit Recht den Schluß 
gezogen, daß Kaiser Karl und sein Minister mit dem vollen Einsatz der 
I7-Boot-Waffe — „The terror of the submarine war“, wie sich Czemin 
in seiner Note an Lansing am 5. Februar ausdrückt — nicht einverstanden 
sei, und man glaubte aus der dringlichen Bitte um Wilsons Friedens¬ 
vermittlung herauszuhören, daß nur die Vernichtungsdrohung vom 
12. Januar den Zweibund noch zusammenhielt. Lansing telegraphierte 
daher schon am 8. Februar an Page, er solle Lloyd George aufsuchen 
und ihm vorstellen, der Präsident glaube innerhalb einer sehr kurzen Frist 
die Annahme des Friedens erzwingen zu können, wenn die Entente¬ 
regierungen es ihm ermöglichten, der Regierung Österreichs die 
Furcht zu benehmen, daß seine radikale Zerstückelung beschlossene 
Sache sei. 
In der denkwürdigen Unterredung des Botschafters mit Lloyd George 
am io. Februar erklärte dieser, er wisse, daß Österreich sehr starkes Ver¬ 
langen nach Frieden hege und den Krieg in Wirklichkeit nie gewünscht habe. 
Der neue Kaiser sei des Krieges, den er nicht herbeigeführt, sondern ererbt 
habe, besonders müde. Sollten die deutschen Mächte gewinnen, so würde 
Österreich zu einem Vasallen Deutschlands werden, was für das Land 
schlimmer sein würde als ein Sieg der Entente. Österreich werde heute 
von Deutschland geführt und regiert. Sogar seine eigenen Heere würden 
von Deutschen befehligt. Am meisten leide es unter dem wirtschaftlichen 
Druck. 
„Selbstverständlich" — fuhr Lloyd George fort — „wünscht der öster¬ 
reichische Kaiser, soweit wie möglich sein Reich zu retten. Dagegen, daß 
er Ungarn und Böhmen behält, haben wir nichts einzuwenden. Wir ver¬ 
folgen keine Politik der gänzlichen Zerstücklung, wir müssen aber zu den 
Landsleuten unserer Verbündeten, zu den Rumänen, den Slawen, den 
Serben und den Italienern halten, deren berechtigten Forderungen gemäß 
dem Nationalitätenprinzip entsprochen werden muß." 
Österreich sei jetzt für Deutschland eine immer größer werdende militä¬ 
rische und wirtschaftliche Belastung, und mit der österreichischen Last auf 
seinem Rücken würde Deutschland vielleicht früher nachgeben, als wenn 
Österreich aus dem Kriege ausscheide.
	        
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