Volltext: Alpenkrieg

Der Traum von Carzano 
l. 
In einer stillen Septembernacht des Jahres 1917 
läuft ein Soldat atemlos die Straße entlang, die von 
der österreichischen Stellung in der Val Sugana nach 
Westen führt. 
Der Mann scheint sehr erschöpft zu sein. Er ver¬ 
sucht es mit einem Geschwindschritt, um auszuschnaufen, 
kommt aber gleich wieder ins Laufen. Urlauber, die auf 
dem Marsch zur Front sind, nächtliche Wanderer, die 
dem Atemlosen begegnen, rufen ihn an, erhalten keine 
Antwort und sehen ihm verwundert nach. Niemand kann 
sich erklären, welcher Teufel diesen Menschen hetzt Es 
gibt allerlei in der Welt; aber daß ein Soldat im vier¬ 
ten Kriegsjahr auf dieser friedlichen Straße wie ein 
Irrer daherrennt, das ist neu. 
Manchmal poltert fernher der Abschuß eines Ge¬ 
schützes und in der Gegend von Carzano, Scurelle oder 
Castelnuovo, flammt der Einschlag auf. Alltag des 
Kriegs. Niemand hebt deshalb den Kopf oder beschleu¬ 
nigt seine Schritte. Es ist schon lange her, seit man 
sich dafür interessierte . . . 
Der Soldat ohne Waffe, ohne Helm läuft weiter. 
Mehrere schlafende Dörfer hat er schon passiert, er 
biegt bei Marter nach Norden ab und ist fast am Zu¬ 
sammenbrechen, als ihn endlich eine größere Häuser¬ 
gruppe innehalten läßt: Roncegno, sein Zielt Auch hier 
sind alle Lichter sorgfältig abgeblendet, aber man kann 
im fahlen Schein des halben Mondes einzelne Tafeln 
lesen: Stationskommando, Verpflegsmagazin, Feldspital; 
und dal Die Aufschrift, die er sucht: Divisionskommandot 
Licht schimmert durch ein verhangenes Fenster zu 
ebener Erde. Der Posten vor der Tür ruft den Mann 
an, erhält einige Worte auf Tschechisch zur Antwort und 
kann nicht mehr verhindern, daß der vollkommen Er¬ 
schöpfte mit letzter Kraft an das Fenster trommelt. Die 
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