Volltext: Alpenkrieg

Nur wenige Menschen sind hier geflüchtet, die 
Gendarmen und Finanzer, und die, denen es nun nicht 
mehr geheuer ist. Weit zurück liegen die Patrouillen 
der Oesterreicher, nirgends durchfurchen Schützengräben 
das blühende Tal. Buben rennen die Straße entlang, 
auf der erst vor einer Stunde die letzten drei Zoll¬ 
beamten mit entsicherten Gewehren schritten. Erhitzte 
Mädelgesichter erscheinen in den Fenstern. Die Män¬ 
ner halten sich noch versteckt. Man kann nicht wissen. 
Vielleicht kommen die verhaßten Austriaci noch einmal 
zurück und holen einen; denn man gehört ja sozusagen 
zu ihnen . . . 
Getrappel, harter Hufschlag. In einer Staubwolke 
galoppieren Reiter, reißen ihre Pferde herum, werden 
von den Buben und Mädels mit jubelndem Geschrei 
begrüßt. Die Ersehnten sind dal Sie haben es eilig, 
heute noch möglichst weit nach Norden vorzustoßen. 
Kein Feind war noch zu sehen, keine Schüsse wurden 
gewechselt. Ist das ein Hinterhalt? Werden die Bar¬ 
baren in der Nacht kommen? Halten sie sich in den 
Bergschluchten versteckt, um plötzlich mit Gebrüll und 
wehenden Fahnen hervorzubrechen? 
Nein, nichts, nur weitert Hinterdrein kommt In¬ 
fanterie, Alpini. Sie werden gegen Ueberfälle sichern. 
Immer mehr Menschen tauchen auf, umdrängen die 
Vorhuten der italienischen Armee, bieten den staub¬ 
bedeckten Soldaten Wein und Früchte an, geleiten sie 
jubelnd in ihre Quartiere. Die neue Zeitl Die neue 
Zeit! Von vielen Häusern weht die Trikolore . . . 
Weiter im Norden aber, in den verlassenen Dör¬ 
fern der Dolomitenfront plätschern die Auslaufbrunnen 
unaufhörlich, unaufhörlich . . . Aber niemand tritt an 
ihren Rand, keine Hand taucht einen Eimer in ihr alt¬ 
ehrwürdiges Becken. Leer und verödet, aus toten Fen¬ 
steraugen starren die Häuser auf die überquellenden 
Brunnen nieder. 
Und hoch im Raum schwebt lautlos ein großer, 
dunkler Raubvogel über den blaßblauen Abendhimmel. 
Stark und sicher tragen ihn seine Schwingen. Er ist 
wie das Schicksal . . . 
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