Volltext: Alpenkrieg

aufhalten wollte. In den Dolomiten hat der Krieg viel¬ 
fach seine Schatten vorausgeworfen, hat Häuser und 
ganze Dörfer als ihm verfallen gezeichnet, eh* der erste 
Schuß sich in den Wänden der umliegenden Berge brach. 
Sie liegen jenseits der „Linie“, waren aufgegeben wor¬ 
den, weil es militärische Rücksichten erforderten. 
Aus diesen Siedlungen, Weilern und einsamen Ge- 
birgshöfen bewegen sich kleine, traurige Züge landein, 
verschwinden über Joche und Pässe hinter den schütter 
besetzten Stellungen. Ladinische und deutsche Berg¬ 
bauern, rührend in ihrer Treue zu Oesterreich, zu Tirol. 
Weiber und Kinder schleppen armseliges Hausgerät, trei¬ 
ben ein paar Schafe und Kühe mit sich. Das angstvolle 
Brüllen des Viehs begleitet ihren schweren Gang. Die 
Menschen schweigen, ob es auch gleich um die Heimat 
geht. Aber der Glaube ist stärker als die bange Sorge 
um Haus und Hof. Leer und verlassen liegen bald die 
Dörfchen in den letzten friedlichen Stunden dieses trau¬ 
rigen Pfingstsonntags. 
Dann wird es still in den Tälern, auf den Hängen 
und Gipfeln. Flimmernd liegen die weißen Bänder der 
Straßen zu den Füßen der Männer, die in den Werken 
und Stellungen Wacht halten. Kein Fuhrwerk, kein Fu߬ 
gänger. Nur Sonnenglanz und Maienfrieden . . . 
Die sechste Stunde naht. Blaue Bergschatten decken 
die Schluchten, rücken langsam die Matten und Hoch¬ 
wiesen hinan. Keine Glocke schreit Krieg ins Land, 
kein Schuß zerreißt die große, feierliche Stille. Es ist, 
als hätte niemand den Mut, einzubrechen in den Got¬ 
tesfrieden dieser Gegenden, die bisher nur den reinsten 
Freuden der Menschen gedient haben. Noch nie ist es 
hier so leer, so beklommen still gewesen . . . 
Die südlich heiteren Täler der Etsch und Brenta aber 
sind nicht so verstummt wie die strengen Landschaften 
der Dolomiten und der hämischen Grenze. Millionen- 
fältig summt und surrt, schrillt und wispert es hier, 
Insekten schwirren durch den Frühsommerabend und 
der schwere Duft der Magnolien liegt über den Gärten. 
Schlösser warten, Dörfer, den Kommenden aufgetan. 
Und unter Maisstroh versteckt die heimlich genähte 
Trikolore . . . 
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