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Schon im Februar 1916 wird es in den Tälern Süd¬
tirols lebendig. Neben den normalen Transporten rollen
ununterbrochen Züge mit Truppen und Material an,
zuerst schütter, dann in immer steigendem Ausmaß:
Oesterreich-Ungarn holt zum entscheidenden Schlag
gegen Italien aus.
Diesen Schlag überraschend zu gestalten, kann nicht
gelingen. Die Älpenfront bietet nicht viel Gelegen¬
heiten dazu, sie ist strategisch fast eindeutig: Lavarone-
Folgaria. Auch die geringe Leistungsfähigkeit der beiden
Bahnlinien über den Brenner und durch das Pustertal
schließt Ueberraschungen aus. Immer wird hier der An¬
greifer auf einen wohlvorbereiteten Gegner stoßen, wird
mit erbitterter Abwehr zu rechnen haben. So ist es denn
auch gleichgültig, wann man mit dem Aufmarsch beginnt.
Ungeduld, heiliger Eifer und eine gewisse, nicht ganz
gerechtfertigte Hoffnungsfreudigkeit der Gunst des Wet¬
ters gegenüber haben allerdings diesen Aufmarsch vom
Frühjahr 1916 allzusehr in die Länge gezogen. Die Füh¬
rung rechnete mit Mitte April; es sollte Mitte Mai
werden, eh* man loslegen konnte.
Unterdessen füllen sich die Täler mit Kampftruppen
und dem ganzen, sehr verwickelten Apparat der Etappe,
werden Munitionslager angelegt, Batterien gebaut und
die Straßen hergerichtet — alles Ln Schutze der alten,
nicht eben starken Abwehrfront und der Schneemassen,
die auch den Italienern jeden Vorstoß unmöglich machen.
Im April scheint es so, als ob wirklich die Natur
den Soldaten des alten Reiches helfen wollte, ihren
heftigsten Gegner durch einen gewaltigen Stoß nieder¬
zuringen: Die Schneedecke schmilzt, blasses Grün über¬
zieht die Hügel und Höhen der Hochflächen von Lava-
rone und Folgaria. Auf einzelnen Nordlehnen hinter der
Front werden Versuche gemacht, ob ein Infanterist mit
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