Über des Artilleristen. Vor der niedersausenden Granate
schützt der nächste Stein — die Waffe des Schützen
aber trifft blitzschnell und ohne Warnung. Kühnheit
und Geschicklichkeit triumphieren hier über alle Mittel
der Technik.
Die Männer, die als erste hier für Haus und Hof,
für Heimat und Vaterland kämpfen, sind Standschützen.
Mit der natürlichen Ueberlegenheit ihrer Bergkenntnis,
mit der Sorge um die geliebte Landschaft sind sie die
wahren Führer in diesen bangen Wochen. Was sonst
noch da ist, ein paar Landsturmkompanien, fügt sich
ihnen fast immer vorbehaltlos. Wo aber die Kom¬
mandogewalt des höheren Ranges eingriff, wo manch¬
mal von fernher Befehle gegeben wurden, da war es
meist vom Uebel. Mancher der Tapferen büßte mit
Leib und Leben diesen Unverstand vorgesetzter Kom¬
mandostellen.
Immer wird die Verteidigung der Sextener Dolo¬
miten in der drückenden Not vom Sommer 1915 mit
einigen Namen verbunden bleiben, deren Träger zu den
lautersten Kämpfern unseres Volkes zählen: der Stand¬
schützen-Unteroffizier Forcher von der Sextener Kom¬
panie, der Feldkurat Hosp, der die tollsten Kletter¬
touren mitmachte und als einfacher Soldat kämpfte, der
Professor Vinzenz Goller, damals noch Unterjäger, der
es später bis zum Major und Kommandanten der Puster¬
taler Standschützen brachte, sie und eine Handvoll Berg¬
führer und einfache Bauern brachten das Wunder zu¬
wege, einem hundertfach überlegenen Feind Widerstand
zu leisten.
Vor allem aber einer, dessen Soldatenleben nur
wenige Wochen zählte und der trotzdem Unsterblich¬
keit errang: Sepp Innerkofler.
Als der Krieg nach seiner Heimat greift, ist es genau
25 Jahre her, daß er durch eine alpinistische Großtat
von sich reden machte. Als Zwanzigjähriger durchkletterte
er 1890 die Nordwand der Kleinen Zinne und bewies
damit, daß einem geborenen Bergführer nichts unmög¬
lich ist. Seither hat er viele Hunderte in die Wunder
der Dolomiten eingeweiht; man kennt seinen Namen
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