Volltext: Ober-Oesterreich

glockengeläute, Schalmeienklänge und deutscher Ringeltanz. Zum Gedächtnis daran veranstaltet der 
„Bayrische Waldverein" alljährlich seine Jakobifeste, bei denen begeisterte Redner den alt¬ 
germanischen Berg als Wahrzeichen preisen für das Verwachsensein des deutschen Volkes mit seinem 
Bergwald, der ihm Erzieher war und Freund bleibt und Hüter seiner Ideale. 
Der Dreisesselberg hat einen prächtigen Nadelholzbestand. Riesenfichten, -führen und -tannen 
wachsen auf seinen Abhängen, die ältesten unter ihnen sind gekennzeichnet durch lang herab¬ 
hängende Bartflechten. Aus dem feuchten Waldboden sproßt, grünt und rankt ein Gewirr von 
Sträuchern, Kräutern, Gräsern und Moosen. Farne, Efeu, Heidelkraut und Bärlapp überwachsen 
die Granitblöcke, die in großer Zahl im Hochwald lagern, wie bekränzte Berghüter, Söhne des 
obersten Allvaters. 
Zu den eigenartigsten Waldschönheiten führt der Kammweg vom Dreisesselberg zum 
Plöckenstein ostwärts, der an der Grenzlinie des Bergbesitzes zwischen Oberösterreich und Bayern 
verläuft. Den schönsten Punkt dieser Strecke bietet das „Steinerne Meer", das ist eine breite, 
baumlose Fläche, mit nacktem Steingeröll bedeckt, die bis zur Mitte des Abhanges reicht und gegen; 
Süden hin ein weites Aussichtsfeld eröffnet. Es lohnt sich das Verlassen des Weges und das 
Erklettern der höchsten Platte, von der aus die Fernsicht am freiesten ist. Zunächst wallt das Mühl- 
viertler Hügelland heimatlich wohlbekannt und klar zur Donau hinab, jenseits säumt den Strom ein 
Streifen lichten Uferlandes, hinter dem sich die grünen Vorberge in niederen und höheren Reihen 
nacheinander erheben; aus ihrer Mitte ragt der Traunstein empor, zu seinen Füßen flimmert es, das 
ist sein See, sonnbeglänzt. Ganz draußen, wo die Sonne zu Mittag vom höchsten Punkt ihres Tages- 
bogens unser Heimatland überstrahlt, schwebt das Silberhaupt des Dachsteins scheinbar zwischen 
Himmel und Erde, von ihm aus fließen Lichtlinien gegen Ost und West; das sind die Kämme der 
hohen Alpen. Das „Tote Gebirge" leuchtet kreideweiß vor dem Warscheneck und die steirischen 
Berge treten stattlich ins Bild, während die niederösterreichischen mit ihrem Ötscher im Osten 
verdämmern. Gegen Westen ziehen die Riesenlinien mehr ins Himmelsblau, sie verbinden die Salz¬ 
burger und Tiroler Berge zu einer geschlossenen Kette. Herrlich, dreimal herrlich ist das geschaute 
Landschaftsbild, aber die Menschenseele, des Schöpfers Ebenbild, vermag es in sich einzuschließen 
und in dunklen Stunden wieder aufzurollen, damit es Licht verbreite und sonst verlorenen Augen¬ 
blicken freudevollen Inhalt gebe. 
Es ist zu loben, daß die bergfrohen Mühlviertler auf vielen ihrer freien Höhen Aussichts¬ 
warten errichtet haben; einige von diesen sind berühmt, reizvoll thront die jüngste auf dem Amesberg. 
Aber was man auch zum Preise aller sagen kann, die Granitplatte im Steinernen Meer am Kammweg 
zum Plöckenstein ist unübertrefflich. 
Dann führt die Wanderung wieder ostwärts weiter über den bayrischen Plöckenstein zu einer 
lieblichen Waldblöfie, wo Marksteine den Berührungspunkt dreier Länder bezeichnen, Ober¬ 
österreichs, Bayerns und Böhmens. Jeder hält am „Dreieckmark'4 nachsinnend seine Schritte an, in 
jüngster Zeit die Deutschen mit schwerbekümmertem Herzen; nur der Rasen beherzigt nicht den 
Vermerk auf den Steinen, er weicht nicht fingerbreit von seinem lieben Boden ab, auch die Berg¬ 
blumen, die da zwischen den Gräsern sprießen, neigen ihre Krönchen jedem Ankommenden gleich 
freundlich zu und die Bäume, die treuen, bleiben verwandt und verschwistert hüben und drüben. 
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