Volltext: Ober-Oesterreich

Feuerzeichen den Stammesbrüdern in der weiten Runde. Alle kamen und alle hingen ihre Herzen 
an diesen Stein, den Erkorenen der Götter. 
Seltsam, heute noch ist der Eibenstein wunderkräftig, denn es geschieht, wenn ein echter 
Germanensprosse sich ihm nähert, daß er, vom Zauber ergriffen, sein blutwarmes Herz gleich den 
Vätern an das Urgebilde der geheimnisvollen Schöpfung hängt. 
Schüttelt nicht das Haupt, es wirbt der Eibenstein um unsere Heimatliebe und um unsere 
Germanen treue! 
Schwermütige Klänge umrauschen eine riesenhafte Felswand, die auf der Hochfläche zwischen 
Liebenau und Liebenstein im nordöstlichen Mühlviertel steht und „Jankusmauer" benannt ist. 
Einmal, in längst entschwundener Zeit wohl, mag der Felsstock geborsten und der losgelöste Teil im 
Moorgrund versunken sein. Die hohe, steile, nackte Steinwand erschien den Bewohnern des rauhen 
Landstriches als das schreckhafte Spiegelbild ihrer Ängste und Sorgen und die Klagerufe, die sie 
ausstießen, wenn der Nordsturm an den tief hereingesetzten Dächern ihrer Hütten rüttelte, verdichteten 
sich allmählich zu einer düsteren Sage, die sie sich versonnen erzählten. Einst sei die Jankusmauer ein 
breiter Felsstock gewesen, auf dem ein Kirchlein stand, ein gnadenvolles Gotteshaus, die Zufluchts¬ 
stätte der geplagten Leute auf der rauhen Höhe. Als aber ein erschrecklich wilder Feind ins Land 
kam, überall brandschatzte und mordete, auch ins Kirchlein eindrang, da erzitterte der Fels und brach 
entzwei, mit furchtbarem Gedonner versank der Teil, auf dem die Kirche stand, im sumpfigen 
Wiesengrund. Brave Andächtige, die sich nicht scheuten, ihr Ohr an die kahle Felswand zu legen, 
konnten zum Herzenstroste noch immer den Orgelklang aus der versunkenen Kirche vernehmen. 
Die Sage von der Jankusmauer reicht ins neunte oder zehnte Jahrhundert, in die Zeit der 
Magyareneinfälle zurück. Um diese Zeit waren auch die Bewohner des äußersten Mühlviertels schon 
christianisiert worden; daß unter ihnen auch noch Slaven waren, beweist die slavische Wurzel „Jank". 
Am Wege von Sandl nach Windhaag liegt noch eine sagenhafte Felsgruppe, die seit jener Zeit 
„Jankuskirche" heißt. 
Noch viele alte Sagen umsummen die Mühlviertler Höhen, sie offenbaren Wahrheiten aus 
dem vieltausendjährigen Bündnisse zwischen dem Menschengeschlecht und der Natur; wTer ernstlich 
in ihnen forscht, wird zum Seher der Vergangenheit und zum Propheten der Zukunft. Die Volks¬ 
sagen wurzeln selten in einer großen Freudenstunde, die meisten sammelten sich aus lange erduldeten 
gemeinsamen Leiden, denn beim Volk ist der Schmerz der Wecker der Einbildungskräfte. 
So ist die Vorstufe zum Hochwald an der Nordgrenze des Mühlviertels, wo die wenigen 
Menschen, die da wohnen und mit Frost und Sturm um ihr kümmerliches Dasein ringen, das Gebiet 
der Sage, der Hochwald selber aber, den der Mensch nur aufsucht, wenn er sich losgemacht hat vom 
Alltagsdruck und Freiheit, sucht bei dem Ewigfreien, der ist das herrliche Volksheim, wo der Jung¬ 
bronnen deutscher Heldendichtung unversiegbar quillt. 
Leicht breitet der befreite Geist die Fittiche aus, steigt auf aus den steinigen, mit Legemauern 
gesäumten Äckern des nordöstlichen Mühl vierteis, entschwebt westwärts aus Liebenau über Schön- 
eben, Sandl und Windhaag, eilt auch über den dunklen Sternwald nordwestwärts weiter, bis er sich 
niederläßt auf den Hochstein ( 1332 Meter) des Dreisesselberges. Wunder der Schönheit erlebt, 
wer auf diesem Hochstand einen kommenden Tag erwartet. Im grauen Nebelheim beginnt es zu 
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