Volltext: Ober-Oesterreich

Die slavische Besiedlung unseres Mühlviertels dauerte nicht lange; nach Samos Tode 662 zerfiel 
das Slavenreich. Zerstreut und unbeschützt verblieben die Fremdlinge am längsten im nordöstlichen 
Gebiete um Windhaag und Freistadt, wo heute noch ihre Spuren zu finden sind, zu denen slavische 
Orts-, Fluß- und Bergnamen hinweisen. 
Nach der Völkerwanderung aber, anfangs des siebten Jahrhunderts, drängte der Jungstamm 
der Markomannen, die Bajuvaren, unter seinen tatenfrohen Herzogen, den Agilolfingern, im Donau¬ 
lande immer weiter ostwärts bis zur Enns, an die Grenze des Avarenreiches vor. Die Bajuvaren 
hatten sich am Lech, an der Isar und am Inn zu einem aufstrebenden Kulturvolk entwickelt und 
brachten nun zum ersten Male germanisches Leben auf den Boden der vom Wald überwachsenen 
römischen Provinz Norikum. Anders war es im Besiedlungsgebiet nordwärts der Donau, da lockten 
die waldigen Höhen das Jungvolk in die alte Heimat der Väter zurück. 
Mit Ehrfurcht nahten sich die Wagemutigen dem rauhen Bergland, das nur durch harte 
Arbeit als Heimat zu gewinnen war; doch den gesunden, kraftvollen Gestalten galt das Ringen 
ums Dasein als erstrebenswertes Ausleben ihrer Kräfte. Der freie Germane baute sich sein Gehöft 
selbst, von Jagd- und Kriegszeiten unterbrochen arbeitete er an dessen wunschgerechter Vollendung 
sein Leben lang. Die im Vaterland nach Ruhm lechzenden Männer befriedigte in ihrer Heimstatt 
der bescheidenste Lebensgenuß: Bärenfleisch und Früchte gaben Wald und Feld und frischen Trunk 
der Brunnen auf der Halde. 
Das Geistesleben der Bajuvaren wurzelte um diese Zeit, trotz der immer weiter schreitenden 
Bekehrungen zum Christentume, noch tief in der Naturreligion der Väter; heilig blieb ihnen, was 
diesen heilig war. So kam den kühnen Recken beim Sturmesbrausen unter den Eichen noch will¬ 
kommene Kunde von Gott Tor, weissagend wie durch Mut und Treue ihre Heldenträume in 
Erfüllung gehen. Ihren Zauber bewahrten auch die den Göttern geweihten Steine. Im Urgesteins¬ 
gebiet finden sich Felsblöcke, die nicht aus dem Boden aufsteigen, sondern wie hingelegt erscheinen, 
da sie frei, nur mit kleiner Berührungsfläche, auf ihrer Unterlage ruhen, sie heißen Wackelsteine und 
galten den Urvätern als Lieblinge der Götter. Auf keinen andern, als auf einen Wackelstein hatte 
sich Wotan gesetzt, wenn er auf Erden ein Lied zu seiner Sturmesharfe sang. Alle Preis-, Bitt- 
und Dankopfer wurden den Göttern auf diesen natürlichen Steinaltären dargebracht. 
Ernste Heimatforscher würdigen die altgermanischen Opfersteine als edles Volksgut, das zu 
hüten sie sich berufen fühlen. Mündliche Überlieferungen kennzeichnen die Pfade, wo man sie 
findet, sie führen auch auf die Höhen des Mühlviertels hinauf, wo manch einer der Ehrwürdigen 
waldumrauscht verborgen liegt. 
Folgen wir den Spuren der Volkssage! 
Das kleine Pfarrdorf Schwarzenberg liegt nahe am Südfuß des Dreisesselberges. Wer von 
österreichischer Seite den Gebirgsstock nimmt, kommt entweder beim An- oder Abstieg über 
Schwarzenberg. Hunderte machen alljährlich die höchst anregende Wanderung über den Dreisessel¬ 
berg zum Plöckenstein, nur selten aber betritt ein Fremder den schmalen Weg, der von Schwarzen¬ 
berg auf den nordöstlich gelegenen „Steingupf" hinaufführt. Man erreicht am Südhang dieses Vor¬ 
berges die erste Stufe der granitenen Hochwelt, auf spärlich bewachsenen Grasflächen thronen da 
wuchtige Blöcke, viel zerkollertes Gestein hoch überragend, sie machen den Eindruck, als wären sie 
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