Volltext: Gunther der Minnesänger

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2. Die Musik. 
Der Liebesparoxysmus, in welchen Günther verfällt, wird musi 
kalisch zu wiederholtenmalen, immer aber der Situation der drama 
tischen Handlung entsprechend, angedeutet. Hat Richard Wagner durch 
seine Leitmotive charakteristisch jede Person melodisch-tonal gekenn 
zeichnet, so gebraucht Floderer in seiner Oper „Günther der Minne 
sänger" Themen, welche — obwohl thematisch und dem Einheits- und 
Verbindungsgedanken Rechnung tragend — als Augenblicksmerk 
zeichen zu betrachten sind; kurzweg die Leitmotive werden durch 
musikalische Situationsgedanken ersetzt. Daß dadurch ein ständiges 
Vor- und Rückschauen bedingt wird, lst selbstverständlich. Die einzelnen 
Charakterisierungsphrasen prägen sich ebenso und ganz unaufdringlich 
in das Ohr des Hörers ein, wie die durch Wagner zur Hochblüte ge 
brachten Führungsmotive. Dadurch, daß nicht jede Einzelperson des 
Dramas ihr Leitmotiv mit auf den Weg bekommt, sondern nur die 
Handlung fördernde, mit der Katastrophe in Verbindung stehende 
Momente durch prägnant gehaltene Themen gekennzeichnet werden, 
spielt sich die Entwicklung, der Verlaus des psychische!: und musika 
lischen Inhaltes in unauffälligem, aber bewußt gewolltem Doppel 
sinne vor dem Zuhörer ab. Gerade diese Doppelseitigkeit erzielt ein 
permanentesi.An- und Weiterknüpfen, ein ständiges „Bei-der-Sache- 
sein". Dem weniger musikalisch Gebildeten werden die Etappen der 
Knotenschürzung durch das bedeutungsvolle Hervorheben gewisser Me 
lodiengänge und harmonischer Folgen konsequent ohrgerecht gemacht; 
er findet dadurch eine Unterstreichung der Gegenwarthandlungsphase. 
Die verständlichen, ohne jeden modernen Jntervallschwulst gezeichneten 
Gesangsphrasen lassen aber ein leichtes, sofortiges Aufnehmen zu, 
so daß die Rückerinnerung beim Eintritt der markanten Handlungs 
wendung, wo das früher nur vorauszeigende musikalische Momentbild 
zum Brennpunkte der Situation wird, sofort wieder hervorgerufen 
wird. Durch diese musikalischen Ausblicke, welche mit Beibehaltung 
der Grundfarben technisch poetisch variiert immer in neuer Beleuch 
tung und Farbenschattierung auftauchen, bis sie in monumentaler 
Plastik, wie in Marmor gehauen, in reinem Weiß als Bedingungs 
und Bestimmungsfaktor hervortreten, wird die durch den Gang der 
Handlung bedingte Tetention musikalisch zum endlichen Determi 
nismus. 
Das Vorspiel (Na68to8o, D-Moll) gleicht einer motivischen 
Ouvertüre. Es ist gleichsam ein sinfonischer Prolog, der die Grund 
gedanken des Werkes in gedrängter Gestalt wiedergibt. Mit dem 
Gottesfriedenbruch-Motiv:
	        
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