Volltext: I R 14

Bald deckte ein weites Spinnennetz den ganzen Frontraum. 
Von dem einfachen handbetriebenen Aufzug des Postens, oder der Feldwache auf steiler 
Zinne, bis zu den kilometerlnngen Luftseilsträngen, der von vielen hundertpferdekräftigen Diesel¬ 
motoren Tag und Nacht im Gange erhaltenen Vollbahnen, war wohl jede mögliche Zwischen¬ 
type vertreten. 
Da gab es kühne Trajekte, die Tausende von metertiefen Schluchten in einem einzigen 
kühnen kilometerlangen Sprung übersetzten; da standen Ständer auf einsamer Felsinsel mitten 
im ewig wandernden Gletscherbette; da führte der zitternde Seilstrang zur Kavernenstation 
direkt in die Kampflinie. 
Was so an animalischer Arbeit erspart wurde, geht in die Millionen Pferdekräfte. 
Ich gehe nicht zu weit, wenn ich behaupte, daß nach dem großen Pferdesterben der 
ersten Kriegsjahre und dem dadurch entstandenen Mangel an Tragtieren, ein Halten der Gebirgs- 
front ohne Seilbahnen ganz unmöglich geworden wäre. 
Und welche Lasten schleppten diese luftigen Gebilde! Kanonen und Maschinen wurden 
wie Verpflegung und Munition durch sie befördert. 
Den schweren Bahnen vertraute man auch den Personenverkehr an. 
Ein Heer von technischen Arbeitern war zu ihrem Bau, zu ihrer Instandhaltung, zu 
ihrem Betriebe tätig. 
Unbeeinflußt von der Witterung, vom Feinde wohl beschossen, doch verhältnismäßig 
unempfindlich, stellten diese Bahnen die Vorbedingung für jeden dauernden Gebirgskampf dar. 
Daneben wuchs der Bedarf der Lastwagen. Wo Straßen vorhanden waren oder gebaut 
wurden, dort traten sie im Wettkampfe mit den Seilbahnen auf. 
Nur der Winter, mit seinen vereisten Straßen, war ihnen feind. Steigung und Länge 
des Weges überwanden sie spielend. 
Trotz dieser Behelfe war natürlich an einen gänzlichen Ausschluß der animalischen 
Zuschubskräfte nicht zu denken. 
Anderseits kostete die Anlage der Verkehrsmittel unendliches Menschenmaterial, das 
unablässig an ihrer Herstellung arbeitete. 
So vereinfachte und erleichterte wohl der technische Ausbau der Nachschubslinien und 
-mittel die Versorgung, er machte aber niemals das durch die Terrainverhültnisse aufgebotene 
Übermaß von Arbeits- und Hilfskräften wett, das in einem starken zahlenmäßigen Kontraste 
zu dem Kampfstande der Armee verblieb. 
Man kann wohl sagen, daß itn Gebirge auf die Erhaltung jedes einzelnen Plänklers 
in der Front, mindestens fünf Mann des Etappenraumes entfielen. 
Dieser Niesenverbrauch an menschlichen Kräften konnte allerdings im Gebirge, zum Teil 
durch die Möglichkeit schütterer Frontbesetzung, wettgemacht werden. 
Gestützt auf die natürliche Verteidigungsfähigkeit des Bodens, gelang es oft, mit dem 
fünfzigsten bis hundertsten Teil des normalen Kraftaufwandes Besetzungen durchzuführen und 
zu behaupten. 
Denn das ist und bleibt der tiefe Ursinn der Kunst des Kampfes im Gebirge: die 
Anpassung! Der Wille wird durchkreuzt durch die Forderungen des Terrains; die taktische 
Notwendigkeit muß sich dem operativen Bedürfnisse beugen. Die freie, schrankenlose Entschließung 
ist ausgeschaltet und muß Hand in Hand mit einem auf geographisch-morphologischem Erkennt¬ 
nisse fußenden Kalkül gehen. 
Nicht Mannesmut, nicht Geschicklichkeit, nicht Eisenhagel und Massensturm können 
Verstöße gegen diese Grundregel wettmachen. 
Und dieses Gebundensein an das Gesetz der Formen ist ein gleiches für den Heerführer, 
wie für den Abteilungskommandanten. Sie alle stehen im Banne des jede Handlung beein¬ 
flussenden ,,Antlitzes der Erde". 
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