Volltext: I R 14

In der weißen Nacht das weiße Land, 
Nicht weit, da geht die Schlacht, 
Raketen blühen in Wolkenhöhn, 
O Krieg, wie bist du betörend schön 
In der weißen Nacht. 
Ich hör' es dumpf und ich hör' es hell 
Und weiß, dort geht die Schlacht, 
Ich seh' es leuchten und seh' es glühn — 
Und vielleicht muß eben mein Bruder verblühn, 
In der weißen Nacht. 
Es sprießt vielferne ein Frühlingsglück, 
Wie leicht zerschlägt es die Schlacht! 
Weh', daß ich kann träumen heimatwärts, 
Bricht meinem Bruder das rote Herz 
In der weißen Nacht. . . 
Meine Kerze flackert zu Ende. Es ist die vorletzte. An der Türe lehnt der große 
Birkenbesen, mit dem ich eben alles Stroh vom Feuerloch gekehrt habe. Denn manchmal sprühen 
weithin die Funken. 
Ich will nun das kleine Licht verlöschen und ein bißchen noch in die Flammen 
träumen. Draußen schnaubt laut der Schneesturm. Manchmal ist es wie ein Aufbrüllen und 
wie ein Schrei und manchmal wie ein klagendes Heulen und manchmal wie ein sterbendes 
Weinen. Und dazwischen zuweilen dumpfe Donner. 
Sö sitze ich lange. Von Zeit zu Zeit schiebe ich ein Holzstück in die Glut und sehe, wie es 
die Flammen überlecken. Und ,,leg' ein Zweiglein Föhren ins rote Feuerlein". Und sehe, wie 
es raucht und aufflammt und hinlodert und wie es doch noch lange formhaft bleibt, ein glühend 
Büschel, und sich endlich verzehrt und zerfällt und zerstiebt. . . Und ich träume und träume. 
Und wie ich mich wende, da hat der Sturm durch die Türspalten fünf Schneestriche 
geweht. Dünne, weiße Flockenstriche. Eine Notenzeile. Doch ohne Noten. Eine Sehnsucht ohne 
Erfüllung. Aber die Musik klingt in mir. . . 
27. Februar 1916. Ich wachte knapp vor 5 Uhr auf, weil mich fror. Und da Erich 
schon um 7 Uhr ins Nest gekrochen war, weckte ich ihn und schlug ihm „nach zehnstündigem 
Schlaf" eine Morgenzigarette vor. Wir rauchten sie und heizten neu ein. Da merkten wir, 
daß es erst halb 12 Uhr war. Ich hatte im Dunkel die Leuchtzeiger verwechselt. Wir rollten 
uns wieder ein und schliefen weiter, bis 3 Uhr, wo Erich neuerlich heizte. Wir hüllten uns 
nochmal in unsere Decken und blieben zwischen Schlaf und Wachen. 
Der Schneewasser-Kaffee hat herrlich gewärmt. 
Mit der Kompagnie haben wir einen Marsch gegen Kopczy gemacht, Direktion auf 
eine zerschossene Windmühle. Der Oberleutnant ließ das Weitergeben von Meldungen bei 
„Einzelnabgefallenen" üben. Meinte, wir brauchten das für den Gebirgskrieg. 
Am Wald liegt ein Russengrab. Die Bäume zeigen reichlich Kugelspureu. Viele sind 
geknickt. Einen hat ein 7-e«r-Geschoß glatt durchschlagen, man sieht sehr genau die glänzend¬ 
silbrige Rille. Schrapnellhülsen liegen umher, Patronen und Magazine. 
Soeben hat uns der Bauer einen — Höflichkeitsbesuch gemacht. Ja, Väterchen waren 
sehr, sehr liebenswürdig. Väterchen machten devoteste Knickschen, Väterchen gaben sich huld¬ 
vollst, Väterchen stellten sogar neue Eierchen in Aussicht, aber — Väterchen spähten so merk¬ 
würdig, so eigentümlich umher, so — ich weiß nicht wie — na, rein als ob wir wüßten, daß 
ihm ein Schaffelchen abhanden gekommen! Aber Väterchen konnten doch nicht so auffällig 
hinter Erichs Stiefelchen gucken und Väterchen konnten doch kein Verdachtcheu bezeigen und 
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