Volltext: I R 14

Und ich suche mir die dreizehn Gräber. Sie sind leicht zu finden. 
Liebevolle Hände haben sie mit Birkenpflöckchen umrahmt; nett sehen sie aus diese 
weißen Stämmchen, die den grauen Sand in straffe Formen säumen. Und ich lese die Namen 
und alle 1915: Ebersmüller (gest. 23. September), Fuchs A. (gest. 23. September), H. Hals¬ 
mayr (gest. 5. September), Massak Rudolf, Leutnant der Maschingewehrabteilung (gest. 24. Sep¬ 
tember), Sachaika Alois (gest. 7. September), Steinriegel (gest. 29. September), Bründl (gest. 
23. September), Johann Moshammer (gest. 2. Oktober), A. Jerabek (gest. 3. Oktober), Johann 
Beer (gest. 6. Oktober), Matthias Schönberger (gest. 6. Oktober), Reitbauer Stanislaus (gest. 
8. November), Poschmaier Karl (gest. 24. Oktober) und dazwischen viele, viele andere Täfelchen: 
„Ein unbekannter russischer Soldat"; er hat sein Kreuz mit zwei Querbalken. „Jonas Zius", 
man hat ihm seinem Glauben gemäß die Gesetztafeln geschnitzt. „Helm Ignaz, 49. Infanterie¬ 
regiment, gest. am 31. Dezember 1915"; in der Neujahrsnacht, da die Silvestergläser klangen, 
ist ihm das Kristall, drin sein Leben schäumte, geborsten, zersprungen, zerklirrt. Der jüngste 
Hügel: „Zivilperson Javjuk Mason Stobola, Gubernia Minska, gest. am 30. Jänner 1916;" 
überm Kreuz hängt ein Rosaband, daran eine alte Messingmedaille . . . letzte Liebe! Und dann 
irgendwo drinnen ein Grab: „Österreichischer Soldat, Name unbekannt"; und fern wo, war ihm 
eine Seele gut, fern wo, da hatt' er ein Lieb. ... Ich hab' ein Hüglein im Polenland unb 
weiß nicht, wo es steht. ... 
Leise, leise senkt sich der Abend auf den stillen Kreuzwald. Im Osten verschlummert 
ein Forst. Krähen ziehen heimwärts. Und weit, weithin nach allen Winden, da dehnt sich diese 
steppengraue, unermeßliche russische Ebene, aus der sich kaum eine Düne abheben will. Grau, 
tonlos, grau. Und doch, wenn du rundwärts schaust, blickt dein Auge wie in eine Verklärung, 
die aus Westen strahlt, aus Westen, wo die treuen Brüder wohnen . . . und dein Blick bleibt 
haften tief im Fernen und der Aar deiner Träume rauscht hin über die glorreiche Erde. Und 
schwingt nach den verdämmernden Wolken, die sich wie ein Meer der Sehnsucht weiten und 
vom Abglanz der Göttlichkeit überblutet sind. Und lang, lang kreist dein Aar über jener unend¬ 
lichen See, die rein und brennend ist von Schönheit und blühend des Lichtes, als schwämme» 
die Schimmer aller Welten auf ihren Fluten. . . . 
Und dann gehst dn heim. . . . 
„Ruhet sanft!" . . . 
F. „Kythia" 
Ein Tagebuchblalt von Karl Dankrwart Zwerger. 
Das war Ende Februar 1916, als unser Regiment von Polen wider Welschland zog. 
Um 4 Uhr kriechen wir auf, rollen das Zeltblatt und besorgen die Rüstung. Leb wohl, 
du schwarze, kleine Kriegerbude! 
Wir prüfen den Stand der Züge. Alles stimmt. Wir machen Meldung — dann Ab¬ 
marsch zum Regimentskommando, das in der grüngedeckten Schule liegt. Und warten, warten! 
Ein kalter, scharfer Wind streicht über die nur ganz leicht schneeüberflorte Ode. Überall 
sieht man Bewegung und Leben. Aus allen Häuschen — viele sind's nicht — sickern Soldaten, 
aus der Erde tauchen Köpfe um Köpfe und hinter dem lieben, weiß und smaragdenen Holz¬ 
kirchlein kriecht ein neuer Kompagniewurm heran. Die Musik stellt sich auf, Reitpferde werden 
gesattelt — und wir warten. 
Nun marschiert die Stabsmannschaft mit Fahne und klingendem Spiel gegen Luck. 
Reiter folgen. Regimentsarzt und Feldkurat traben hinterdrein. Wir warten. Es ist glücklich 
halb 7 Uhr geworden. 
Endlich! Haaabt.... acht! — Kompagniiie .... marsch! - Abgeblasen! 
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