Volltext: I R 14

Der Bauhof mit der Anmarschstraße liegt im schwersten Feuer, die Leute kommen er¬ 
schöpft und leer zurück. Die Reibungen beginnen. In diesem Brennpunkte der Schlacht sind 
alle Verhältnisse unglückselig. 
Nur der Train funktioniert, die Leute bekommen eine reichliche Menage und etwas 
Alkohol. Bei Gott, man braucht ihn. Ein Kriegsphilosoph und Schätzer eines guten Tropfens 
behauptet: „Die Russen hätten ohne Schnapsverbot vielleicht den Krieg gewonnen". 
10. September 1917. 
Um 1 Uhr früh erfolgt der zweite Fliegeralarm; wieder durchschrillen das Hochtal die 
Signalpfeifen und Sirenen — die Flieger werfen Gasbomben ab, einige fallen mitten in das 
Lager, wie aus einem Dampfkessel entströmt das mörderische Gift — doch nichts passiert, die 
Masken sind gut. 
Aber da kann doch ein heiliges Donnerwetter dreinschlagen, einige Leute, denen es zu 
lange dauert, lüften die Gasmaske, um die geliebte Pfeife nicht ausgehen zu lassen. 
Der Rest der Nacht verläuft ruhig, der Tag wird zu einer letzten Rekognoszierung 
benützt, die Anmarschlinie endgültig festgelegt. 
Der Tag schwindet in fieberhafter Tätigkeit, der viel zu komplizierte Angriff, der aus 
einer Haupt- und Nebenaktion mit mehreren Jnfanteriewellen besteht und mit einer an und ' 
für sich schwierigen Ablösung noch verquickt ist, wird mit den Kompagniekommaudanten, Sturm¬ 
patrouillekommandanten auf Grund von Skizzen besprochen, welche bezüglich ihrer Richtigkeit 
das höchste Mißtrauen einflößen. 
Wer sollte sich auch auf dem Mte. San Gabriele, diesem Moloch, auskeimen, der heiß 
umstritten, alle drei bis vier Tage ein Regiment verschlingt und gewiß, wenn auch nicht ein¬ 
gestanden, vielleicht täglich den Besitzer wechselt? 
Major Malina macht noch einen Versuch, beim Regimeutskommaudo, den Angriff zu 
verschieben, da die in den frühesten Morgenstunden versuchte Komplettierung, der dringendst 
gebrauchten Verpflegung und Ausrüstung, ganz kläglich ausgefallen ist. 
Der Angriff muß erfolgen, Oberst v. Vittorelli steht selbst unter dem furchtbarsten 
Drucke von oben und die taktische Zwangslage läßt jede Bitte bei den höheren Kommanden 
ganz aussichtslos erscheinen. 
Am Nachmittag besucht uns der Korpskommandant Fürst Schönburg. Er hat den 
Blutweg nicht gescheut, um die Baone noch einmal zu sehen und die Mannschaft zu sprechen. 
Wie gewöhnlich kommt er allein, nur von einem Führer begleitet. 
Er spricht ernste und gütige Worte, läßt die Baonskommandanten nicht im Zweifel, 
warum dieses Opfer verlangt werden muß, und was von der Wiedereroberung und Behauptung 
des Gabriele alles abhängt. 
Durchlaucht Schönburg gehört zu de» oft und gern gesehenen Vorgesetzten im 
Schützengraben. Seine selbstverständliche Tapferkeit ist ohne Pose. 
Der Mann empfindet unbewußt, daß ein Aristokrat vor ihm stehe, der das noblesse 
oblige auch auf den Weltkrieg übertragen. 
Seine spartanische Einfachheit spricht sich herum und wir wissen, wie rücksichtslos 
scharf er die Korruption Packt. 
Nie verletzt oder kränkt er Frontkämpfer. Der Fürst ist einer von den wenigen, dessen 
eigene Haltung Pflichtopfer von den anderen verlangen durfte. 
Ich kann wohl behaupten, daß wir alle nach dem Besuche beruhigter an die Aus¬ 
führung der tödlichen Aufgabe schritten. 
Das Baon hat um 7 Uhr abends den Abmarsch zu beginnen. Zwei Stunden früher 
in die Stellung befohlen, mache ich mich mit meinem Adjutanten Lt. Frauendorfer schweren 
Herzens, um 5 Uhr nachmittags, auf den Weg. 
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