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Deutschland gar keine Ursache hatte, die Ruhe fast eines halben Jahrhunderts aufstrebender 
Friedenswirtschaft, in der seine Industrie ins Riesenhafte wuchs, sein Handel jenen Gro߬ 
britanniens annähernd erreicht hatte, gegen das vernichtende Element des Krieges einzutauschen, 
daß der Krieg in seiner gigantischen Ausdehnung vielmehr das Produkt französischer Revanche¬ 
gedanken, russischen Ausdehnungshungers, vor allem aber das Ergebnis der Eduardschen, von 
Neid und Mißgunst diktierten Einkreisungspolitik, der Weltimperialismus Englands gewesen ist. 
Wo die Ermordung des Thronfolgers und feiner hohen Gemahlin am 28. Juni bei 
ihrem Besuche in Sarajewo, die alle patriotisch Fühlenden entsetzte, aber auch die ganze übrige 
Welt mit Schrecken und Abscheu erfüllte, geplant und angeregt wurde, konnte bei der Art, mit 
der man heutzutage politische Morde begeht, nicht nachgewiesen werden, feststeht, daß sowohl 
der serbische als auch der russische Staat bis zu den Trägern der Regierung au der schamlosen 
Bubentat verwickelt waren und das Verhalten der Westmächte dem serbischen Volke zumindestens 
den Rücken steifte, als es vor das Tribunal der Weltgeschichte gebracht werden sollte. 
Am 28. Juni wurde das Thronfolgerpaar ermordet und von da ab überstürzten sich die 
Ereignisse. Am 23. Juli 6 Uhr abends überreichte unser Gesandter in Belgrad, Herr v. Giesel, 
der serbischen Regierung ein Ultimatum, das darauf hinauslief, diese Eiterbeule am österreichischen 
Staatskörper endlich einmal gründlich aufzuschneiden. Am 27. Juli mobilisierte Rußland, ob¬ 
schon es dies öffentlich leugnete, und auch die französischen Offiziere bekamen ihren Einberufungs¬ 
befehl. Am 31. Juli sah Deutschland — bedroht von Ost und West — sich zur Mobilisierung 
gezwungen, während Österreich bereits am 25. Juli einen Teil, die gesamte Macht am 
1. August unter die Fahnen gerufen hatte. 
Wohl niemals ist ein Krieg mit soviel Begeisterung begonnen worden wie der Welt¬ 
krieg. Wer Beine hatte wollte mit. Wer nicht Soldat war, meldete sich freiwillig, jedermann 
zeigte den durchdringenden Wunsch, an dem großen Kampfe, der fast drei Viertel der Erd¬ 
bevölkerung in seinen Strudel zog, in irgend einer Weise tätig zu sein. Ja, so stark war der 
Trieb der Heimat zu helfen, sein Blut für unsere gerechte Sache auf dem Altar des Vater¬ 
landes zu opfern, daß Fälle bekannt sind wo Männer, denen eine tätige Teilnahme am Kriege 
versagt bleiben mußte, den freiwilligen Tod dem Zurückbleiben im Hinterlande vorzogen. Wenn 
wir heute nach vier Kriegsjahreu auf diese Ausbrüche von eruptiver Begeisterungsgewalt 
zurückblicken, dann könnte es scheinen, als seien wir abgestumpft worden im Laufe der Zeit. 
Wohl ist es heute nicht mehr die treibende Jugendkraft, die mächtig nach außen 
drängt. Es ist mit unseren Sinnen wie beim Most, der ausgegoren wohl ruhig, dafür aber 
gehaltreich geworden ist. Gerade die großen Erfolge auf der italienischen Ebene im Jahre 1917 
haben gezeigt, daß das alte Heldentum unversiegt seine Kraft durch all die Zeit schwerster Not 
bewahrt hat. 
Das Linzer Hausregiment wurde erst von der allgemeinen Mobilisierung betroffen. 
Am 31. Juli 3 nachmittags waren an den Gebäuden der Post und Polizei die ersten Bekannt¬ 
machungen zu sehen. Eine jubelnde Menschenmenge, in welcher der Pulsschlag erhabenster Gefühle 
schlug, staute sich vor diesen. Am 1. August wurde der Mobilisierungsbefehl verlautbart und 
an diesem Tage um 7 Uhr früh trafen die ersten Reservisten beim Regiments ein. Schneller 
als man glaubte, erfolgte der Zustrom der Reservemannschaften. Oftmals trafen sie vor der 
anbefohlenen Zeit ein und es muß hervorgehoben werden, daß trotz aller Schwierigkeiten eines 
so außergewöhnlichen Zustandes die menschliche Flut in rascher und befriedigender Weise in die 
ihr zugewiesenen Bequartierungsrüume geleitet wurde. 
Am nächsten Sonntag wurden allein an die 5000 Reservisten von einen, Gesamtstande von 
8000 gemeldet, von den Unterabteilungen bekleidet und ausgerüstet und am 4. August war der 
vorgeschriebene Stand der Feldforniativnen nicht nur erreicht, sondern sogar überschritten. Dabei 
strömten Vierzehner und Landsturm gleichzeitig herbei und mußten in der Turnhalle auf den 
Südbahnhofgründen erst säuberlich geschieden werden Um die Einteilung zu erleichtern, wurden 
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