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Mugnai bei Feltre. 
Noch an demselben Abend traf ein merkwürdiger Befehl ein, der die Division in Marsch 
über Longarone auf Toblach setzte, um dort mit unbestimmtem Ziele einwaggoniert zu werden. 
Man zermarterte den Kopf mit der Frage wohin die Division, dieser Strauß prächtigster Regi¬ 
menter der Monarchie, wohl kommen möge. Die Möglichkeit einer längeren Erholung im Inneren 
wies jeder weit von sich. Durch 
fast vier Jahre hatten die Ober¬ 
österreicher Wetter und Stürmen 
getrotzt, lagen mit kriegssteifen 
Gliedern und verwitterten Gesich¬ 
tern hart am Gegner, höchstens 
und dann nur auf kurze Zeit im 
engeren Etappenraume und sollten 
jetzt womöglich in eine Großstadt 
mit Theater, Konzerten, Kaffee¬ 
häusern, mit alle» Errungenschaften 
und Herrlichkeiten des modernen 
Lebens kommen? Nein! — das 
glaubte kein Mühlviertler—so hart¬ 
näckig dieses lockende Trugbild auch 
seinen ehrlichen Sinn umgaukelte. 
Über Longarone, dessen Straßenbild seit 10. November wohltuend verändert auffiel, 
dessen saubere Gassen tm Scheine der Laternen friedlich anmuteten, berührte der Marsch Pieve 
di Cadore, die Heimat Tizians. Gewaltige Festungswerke krönen die Kuppen der Hügel. Sie 
haben den siegreichen Vormarsch der 10. Armee nicht aufzuhalten vermocht und die vielen Ge¬ 
schütze, die hier gesammelt noch umherstanden, gaben ein Bild von der Schnelligkeit, mit der 
die italienischen Truppen dem Drucke der österreichischen Sieger wichen. Eine herrliche Straße, 
oft klaftertief gesprengt, aber von unseren Sappeurkompagnien kunstvoll und dauerhaft überbrückt, 
auf welcher die Italiener eine Feldbahn gelegt hatten, die jetzt uns vorzügliche Dienste leistete, 
führte nach Venas. In dessen Nähe lagen fünf, von den Italienern zum Absturze gebrachte, 
Lokomotiven. Durch freundliche Orte, im Vollbesitze ihres bürgerlichen Lebens, marschierten die 
Hessen, am Felsmassive des An- 
telao mit 3264 m und der Mar- 
cora (3135 m) mit ihren ewigen 
Schneefeldern vorbei, nach dem 
lieblichen Cortina d' Ampezzo, die¬ 
sem Juwel der Dolomiten, das 
mehr als zwei Jahre in welscher 
Hand geschmachtet. Die Stadt 
blieb gut erhalten, nur in ver¬ 
einzelte Häuser hatte wohl ein ver¬ 
irrter Schuß ein Loch geschlagen. 
Stolz blickt hier das Auge 
in die ungeheure Pracht der bizar¬ 
ren Felsenwelt. Da strecken im 
Westen die weißen, 3000 m hohen zerhackten Tofanas mit den vielen Unterständen, die wie 
Schwalbennester an den steilen Felswänden kleben, ihre Türme zum Himmel, im Osten blinkt 
des Mte. Cristallo gewaltiges Haupt. Ein wuchtiger Berg, im Frieden das Ziel der Hochtouristen, 
welche die Schönheit der Dolomiten andächtig bestaunten, im Kriege der Schauplatz erbitterter 
Kämpfe. Ein Hochsitz, von dem die Italiener in das Kärntnerland spähten, das ihren Waffen 
Belluno. 
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