Volltext: Das Bild als Waffe

in Paris das JOURNAL gleichzeitig mit dem TELEGRAAF seine neuesten 
Zeichnungen. 
„Die ganze Welt kennt das Werk Raemaekers’. Seine Blätter 
sind auf tausend Arten und in allen Formaten veröffentlicht und 
reproduziert, sind in den modernsten Vervielfältigungs- und 
Druckverfahren verbreitet. Überall haben sie einen ungeheuren 
Erfolg gehabt. In Alben wurden sie zusammengefaßt, in Zei¬ 
tungen abgedruckt. Sie fliegen von Land zu Land, von Stadt zu 
Stadt, und sie schmücken die Hütte des Landmanns wie das Zimmer 
des Städters und des Intellektuellen.“ 233 
Raemaekers selbst fühlte sich durchaus als Propagandist; er 
sah in der künstlerischen Gestaltung ein Mittel meinungsmäßiger Beein¬ 
flussung. So ließ er es zu, daß man in den Vereinigten Staaten seine Zeich¬ 
nungen ohne Entgelt druckte, nur um ihnen eine weitere Verbreitung zu 
sichern: «C’est de la propagande» 234. 
An Anfeindungen im neutralen Holland fehlte es nicht. Ein Ver¬ 
such der deutschen Behörden, Raemaekers für eine deutschfreundliche oder 
zum mindesten neutrale Haltung zu gewinnen, mißlang. Später wurde, 
wie das JOURNAL zu berichten weiß, von den Deutschen ein Preis 
von 12 ooo Mark auf seinen Kopf ausgesetzt 235. Wegen Verletzung der 
holländischen Neutralität wurde ihm Gefängnis angedroht, die Zensur be¬ 
reitete ihm Schwierigkeiten und der Verkauf seiner Alben wurde zeit¬ 
weise untersagt. Die von der deutschen Gegenpropaganda verbreitete Be¬ 
hauptung, Raemaekers habe sich zunächst den deutschen Stellen ange- 
boten, sei aber abgewiesen worden und dann in den Dienst der Entente 
getreten, scheint nicht stichhaltig zu sein. 
Zur moralischen Unterstützung seiner Propaganda wur¬ 
den dem Holländer eine Menge Ehrungen amtlicher französischer und 
englischer Stellen zuteil. Er war Mitglied der Königlichen Akademie in 
London und Ehrenmitglied vieler privater Klubs. Frankreich überreichte 
ihm das Band der Ehrenlegion. Am 4. Februar 1916 widmete man ihm 
im Pariser Trocadero eine Morgenfeier, zu der Maurice Neumont ein 
Plakat zeichnete, auf dem zu sehen ist, wie der Künstler aus einem Hol¬ 
länder Käse steigt und einer plump-häßlichen Germania mit seinem Zei¬ 
chenstift zu Leibe geht, worauf diese die Hände erhebt. Der Präsident 
der Republik empfing Raemaekers, ebenso der belgische und der eng¬ 
lische König. In London, Paris, Madrid und anderen Städten fanden 
Ausstellungen seiner Zeichnungen statt. 
Die Kunst Raemaekers’ erinnert manchmal an Holbein und Dürer, 
in seinen schnell hingeworfenen Zeichnungen an Forain und Steinlen; 
eine lebendige Phantasie in der Idee und ein beobachtender Realismus im 
Ausdruck sind ihre Wesensmerkmale. Sein Stil ist einfach, ausdrucksvoll 
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