Volltext: Das Bild als Waffe

als verzweifelte Bemühung der Schamlosigkeit, sich selbst zu über¬ 
treffen, ist das Bild zu verstehen, das der MATIN in seiner 
Nummer vom 26. ds. Mts. veröffentlicht, das in den Zügen eines 
Affen den greisen Kaiser von Österreich erkennen lassen will. Die 
Infamie der bildlichen Darstellung aber ist noch gesteigert durch 
die Bezeichnung «LTncrevable», für die es weder im Deutschen, 
noch in der Sprache irgendeines Menschen, dem die Würde des 
Alters nicht als geeigneter Gegenstand scheußlicher Verhöhnung 
erscheint, eine dem gemeinen Gedanken entsprechende Über¬ 
setzung gibt.“ 47 
Eine Karikaturenserie «Communique allemand» des Zeichners Ray 
Ordner gab in der Beischrift den Text der deutschen Nachrichten, 
denen aber durch das Bild ein entgegengesetzter Sinn unterlegt wurde. 
Auf einem dieser Bilder zum Beispiel verabfolgt der Poilu dem deutschen 
Soldaten einen Fußtritt. Das deutsche Kommunique hierzu lautet: „Nach 
einem lebhaften Gefecht konnten unsere Truppen Fuß fassen in einer 
Position, die im Interesse der nationalen Verteidigung nicht genannt wer¬ 
den kann.“ 48 
Anfang März 1915 begann die Karikaturenreihe «La caricature 
etrangere», in der bald die Haßbilder Louis Raemaekers’ aus 
dem Amsterdamer TELEGRAAF den ersten Platz einnahmen. Häufiger 
noch erschienen große Wiedergaben von Porträtchargen des argentini¬ 
schen Künstlers F a b e r aus einem von der Zeitung CRITICA in Buenos 
Aires herausgegebenen Album. Sie stellen in ihrer Mehrzahl die Zerr¬ 
bilder der politischen und militärischen Führer der Mittelmächte dar und 
sind karikaturistische Meisterwerke. Aber auch das lachende Gesicht des 
Generals Joffre taucht auf 49; er raucht aus einer kurzen Pfeife, die den 
Kopf des Kronprinzen trägt. 
Die Faber-Karikaturen wurden in der Folgezeit in unregelmäßigen 
Abständen veröffentlicht; manchmal war eine Lebensbeschreibung der 
abgebildeten Persönlichkeit beigefügt. Anfang 1917 setzte L. B e r i n g 
das Werk Fabers fort. In ihrer formalen Gestaltung weisen beide Künst¬ 
ler eine erstaunliche Ähnlichkeit auf. 
Am 23. September 1915 kündigte der MATIN in einer Anzeige eine 
neue Serie von Spottbildern an: „Am nächsten Sonntag, den 26. Sep¬ 
tember, wird die sechste Seite des MATIN den Tetes deboches oder 
Les Allemands peints par eux-memes gewidmet sein. 
Jedermann wird diese merkwürdigen graphischen Dokumente auf¬ 
bewahren wollen, die besser als eine Dissertation die tiefe Barbarei der 
Teutonen beweisen werden. Wir reproduzieren nur solche Zeichnungen, 
die von Deutschen hergestellt sind.“ Aus dem gleichen Anlaß wurde so¬ 
gar ein Plakat mit derselben Anpreisung herausgebracht50. Unter den 
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