Volltext: Das Bild als Waffe

hatte sie den Stand von einer Million erreicht44 und konnte trotz der 
Kriegsschwierigkeiten auf 1900000 im Jahre 1917 gesteigert werden45. 
Von einer festumrissenen parteipolitischen Bindung kann beim 
MATIN keine Rede sein. Er war wie das JOURNAL, das PETIT 
JOURNAL und der PETIT PARISIEN der Typ der großen Ge¬ 
schäftszeitung. In seinem Kampf gegen Deutschland übertraf 
ihn so leicht kein anderes Blatt. Innerpolitisch ziemlich farblos, 
suchte er den Leserkreisen der verschiedensten Parteischattierungen ge¬ 
recht zu werden, um Käufer und Bezieher nicht abzuschrecken. So er¬ 
klärt es sich, daß seine Bildpropaganda sich auf den äußeren, allen ge¬ 
meinsamen Feind beschränkte, hier aber oft maßlos wurde. Satirische 
Angriffe auf innerfranzösische Zustände, die im ECHO DE PARIS 
mehr als ein Viertel aller Bilder ausmachten, finden sich im MATIN 
nicht. 
Bis zum Ausbruch des Krieges brachte der MATIN nur kleine, ein¬ 
spaltige Bildwitze ohne politische Tendenz. Erst anläßlich der Verhaf¬ 
tung H a n s i s durch die deutschen Behörden erschienen Reproduktionen 
aus seinem Buch «Mon Village», die die Liebe der elsässischen Kinder 
zu Frankreich schildern 46. 
Als eines der ersten französischen Blätter wandte der MATIN die 
«propagande ä rebours» an, wobei ihm die Karikaturen deut¬ 
scher Witzblätter zustatten kamen. Vor allem der Münchener SIMPLI- 
ZISSIMUS war eine unerschöpfliche Fundgrube von Spottbildern, die 
— in den Vorkriegs jahren erschienen — auf den Typ des preußisch-deut¬ 
schen Offiziers, des Soldaten, der Frau, des Professors, des Studenten, des 
Polizeikommissars und des Junkers zielten. Die deutsche Selbstverspottung 
nahm dabei nicht selten gehässige Formen an. Der Offizier wurde als 
eitel und brutal, die Frau als plump und geschmacklos, der Student als 
liederlicher und ewig betrunkener Raufbold hingestellt. Im Kriege 
brauchte die französische Propaganda diese Karikaturen nur zu repro¬ 
duzieren und mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen. 
Originalzeichnungen waren zunächst wenig vertreten. 
Am 26. Januar 1915 erschien eine zweispaltige Porträtcharge von 
M a x a , die von der FRANKFURTER ZEITUNG wie folgt charakte¬ 
risiert wurde: 
„Der Pariser MATIN, der nicht auf den Krieg gewartet hat, 
um sich im Urteil der ganzen Welt einschließlich der damals noch 
etwas urteilsfähigen öffentlichen Meinung Frankreichs selber als 
den Schandfleck der europäischen Presse zu dokumentieren, 
fürchtet sich offenbar, daß es irgendwo in der Welt noch jemand 
geben könnte, der an seinem völligen Verzicht auch auf den letzten 
Funken journalistischen Anstandsgefühls zweifelt. In der Tat, nur 
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