Volltext: Das Bild als Waffe

So wurde am 16. Februar 1916 im FIGARO ein halbseitiges Spottbild 
Forains über die Armeekommissare unterdrückt, weil es „einen Angriff 
auf das Pariamentcc darstellte. Am 13. Oktober 1915 entschuldigt sich 
die Schriftleitung des ECHO DE PARIS bei den Lesern für die verspätete 
Lieferung der Zeitung am Vortage, da die Zensur ihr die Mitteilung vom 
Verbot der vorgesehenen Faivre-Karikatur erst um zwei Uhr morgens 
gemacht habe. Eine Zeichnung Abel Faivres, die den König von Grie¬ 
chenland mit der Pickelhaube als einen Kreisel darstellte, bei dessen 
Anblick sich Venizelos fragt: „Nach welcher Seite wird er fallen?“, konnte 
erst nach Beendigung des Krieges veröffentlicht werden 34. Eine andere 
mit dem deutschen Kaiser hinter dem Rücken des griechischen Königs 
wurde von der Zensur um vier Monate zurückgehalten 35. Eine Karikatur 
von Jean Leprince, die am 29. Oktober 1914 in der GUERRE SOCIALE 
erschien, wurde ihrer gesamten Beischrift beraubt, und darüber hinaus 
büßten auch noch die dargestellten Personen ihre Gesichter ein. Sie wird 
nicht vielen Lesern verständlich gewesen sein. 
Den schwersten Stand hatten die satirischen Wochen¬ 
blätter. LES HOMMES DU JOUR, LE CARNET DE LA SE- 
MAINE, LE CANARD ENCHAINE und andere, die durch ihre ver¬ 
steckt defaitistische Tendenz besonders verdächtig waren, 
hatten einen harten Kampf mit der «Dame Anastasie» auszufechten. Oft 
genug kam es vor, daß zwar die Karikaturen stehenbleiben durften, die 
erklärenden Beischriften aber verstümmelt oder ganz gestrichen wurden. 
Der RUY BLAS erschien am 24. Juni 1917 ohne Titelbild. Es war nichts 
Seltenes, daß in den Witzblättern ganze Seiten unbedruckt blieben. Bild¬ 
zitate aus der Presse verbündeter Nationen mußten sich Verstümmelungen 
und Verbote gefallen lassen. So büßte eine im EXCELSIOR vom 4. Jan. 
1915 abgedruckte Karikatur aus dem Petersburger OTECHESTVO die 
Hälfte ihrer Beischrift ein. 
An dem Kampfe der französischen Presse gegen die Zensur, der an 
alte Traditionen anknüpfte, nahmen die zeichnenden Journalisten den 
lebhaftesten Anteil. Wie sehr ihre Tätigkeit als ein naturgegebener Protest 
gegen die behördliche Überwachung angesehen wurde, beweist ein gro߬ 
formatiges Plakat von Meroy, das anläßlich einer Ausstellung der «Societe 
des dessinateurs humoristes» erschien. Es ist eine Karikatur auf die Dame 
Zensur 36. Häufig füllte man die gestrichenen Textstellen in den Witz¬ 
blättern mit bildlichen Angriffen auf die Zensur aus. Der CANARD 
ENCHAINE bezeichnete die zensurierten Stellen mit einer Schere. Das 
CARNET DE LA SEMAINE brachte eine Hand mit einer Schere, die 
einem Hund den Schwanz abschneidet oder — ein anderes Mal — den 
federkielbewaffneten Journalisten im Zweikampf mit einem scheren¬ 
schwingenden alten Weib. 
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