Volltext: Das Bild als Waffe

nach den deutschen Karikaturen urteilen würde, so könnte man sich nach 
einer Reihe von Jahren fragen, ob Deutschland in der Zeit von 1914 bis 
1916 wirklich mit Frankreich Krieg führte.“ 384 
Bezeichnend für die deutsche Einstellung zur Bildpropaganda ist eine 
schon im Dezember 1914 erfolgte Anordnung des Leipziger Polizeiamtes, 
daß dem Verbote anheimfallen werden „Darstellungen und Postkarten 
oder Bilderbogen, die auf eine unwürdige Verkleinerung oder Verunglimp¬ 
fung unserer anerkannt tapferen Feinde, deren Herrscher und Heerführer 
hinauslaufen“ 385. 
Die NORDDEUTSCHE ALLGEMEINE schrieb: 
„Dergleichen entspricht nicht der Würde der deutschen Na¬ 
tion. Wir müssen unsere Ehre daran setzen, dem Gegner nicht nur 
auf dem Schlachtfeld überlegen zu sein, sondern auch in der Art, 
wie wir den Krieg mit geistigen Waffen führen. Den Feind, mit 
dem wir auf dem Felde der Ehre die Klingen kreuzen, durch nied¬ 
rige Schmähbilder und Schimpfreden anzugreifen, ist nicht vor¬ 
nehm und setzt die Ehre der Nation herab, die sich solcher Mittel 
bedient. Überlassen wir das denen, die es nötig haben, den eng¬ 
lischen Mob, die Pariser Apachen und die russischen Muschiks bei 
guter Laune zu halten. Unser deutsches Volk bedarf zur Belebung 
seines kriegerischen Schwunges solcher giftiger Medikamente nicht. 
Es trägt die Kraft, den Feind zu besiegen, in sich selbst. Darum 
fort mit diesen Schmähbildern und -karten aus unsern Witzblättern 
und Schaufenstern.“ 386 
Aus diesen Zeilen spricht ein krasses Unverständnis der 
primitivsten Forderungen jeder Propaganda. Wer die Massen begeistern 
will, braucht nicht „vornehm“ zu sein, ja er darf es nicht einmal. Erwä¬ 
gungen solcher Art müssen zurücktreten, wenn sie die geistige Kampfkraft 
eines Volkes zu schwächen drohen. Auch hier hätte man vom Feinde 
lernen können. 
Die französische Bildpropaganda hatte Schwächen und Fehler. Nicht 
alle Mittel, mit denen sie ihr Ziel zu erreichen suchte, erwiesen sich als 
zweckmäßig. Es wäre falsch, dies leugnen zu wollen. Fassen wir aber 
die in der vorliegenden Arbeit gewonnenen Erkenntnisse zusammen, so er¬ 
gibt sich eindeutig, daß das meinungsgeladene Bild, sei es werbend oder 
agitierend, seinen Kampfwert in der Schlacht der Geister bewiesen hat. 
In einer Zeit, die wie die unsrige die Propaganda als politisches Füh¬ 
rungsmittel von höchster Bedeutung wertet, muß das Tendenzbild eine 
scharf geschliffene Waffe in der geistigen Rüstung des Volkes sein. Lernen 
wir aus den Fehlern der Vergangenheit, damit in Zukunft auch für uns 
das Wort Napoleons Geltung erhält: „Immer wird der Geist den Degen 
besiegen!“ 
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