Volltext: Das Bild als Waffe

Wie das chauvinistische Ehepaar, das sich über das Straßenschild 
«Boulevard Saint-Germain» national entrüstet 328, so erhielten auch die 
Intellektuellen satirische Seitenhiebe. Ibels karikierte einen „Kunstverstän¬ 
digen“, der seine Meinung über Raffael von der politischen Haltung Ita¬ 
liens für oder gegen die Entente abhängig sein läßt 329. 
Von den Angriffen gegen die Teuerung zitieren wir aus dem 
EXCELSIOR 330 eine Satire auf die hohen Kohlenpreise: Eine Dame be¬ 
wundert den Ring, den ein Freund ihr geschenkt hat: „Aber das ist doch 
Unsinn, mein Freund! Solitäre aus echtem Anthrazit ...“ 
Der Zensur ging es nicht besser. Als staatliche Funktion, die mit 
der Presse in engste und häufig störend empfundene Berührung kam, war 
sie Gegenstand zahlreicher Bildsatiren, die meist in Blättern versteckt 
pazifistischer Tendenz zu finden sind. Aber auch die Organe der Rechten 
schlossen sich nicht aus, wenn sie von ihr betroffen wurden. Der Vor¬ 
wurf, daß die Zensur ihren Zweck verfehle und gerade das Gegenteil des 
Gewollten erreiche, war noch der gelindeste. So gab Hautot in der 
(EUVRE 331, die mit der Zensur immer auf Kriegsfuß stand, unter der 
Überschrift: „Anastasie macht Meinung“ die Unterhaltung zweier Zei¬ 
tungsleser wieder: „Für mich ist es sicher, daß die Boches vorrücken, denn 
die Zensur hat in der Rubrik ,Militärische Lage* gestrichen ...“ „Wir 
werden eine Hungersnot bekommen, denn auch im Artikel über das Ge¬ 
treide ist ein ,blancc ...“ 
Der gewisse Zeichnungen und ihre Beischriften bis zur Unkenntlich¬ 
keit verstümmelnden Ubervorsicht der Zensur galt eine Karikatur, die vom 
Künstler selbst zurechtgestutzt war 332. Die dargestellten Personen haben 
keine Gesichter. Die komischen Überreste der Texterklärung lauten: 
«On reconnait sur ce dessin, le general ... commandant le 
... d’armee, accompagne de M. ... prefet du ... Le general remet 
la Croix de guerre au soldat... du ... d’infanterie. Ce jeune heros, 
qui s’est distingue le ... ä la prise de ... en ... est le fils du — 
... universellement regrette. Cela suffirait ä expliquer l’emotion 
poignante peinte sur tous les visages.» 
In einer Zeichnung Herouards bekämpft LA VIE PARISIENNE 
auf ihre Art die scherenbewaffnete «Dame Anastasia» 333. Ihrem Opfer, 
der Frau Wahrheit mit dem Spiegel, sind aus dem durch Zeitungen dar¬ 
gestellten papiernen Kleid große Stücke herausgeschnitten. In der ge¬ 
reimten Beischrift heißt es: 
De la farouche Anastasie 
Voyez ici Pabsurdite: 
Plus apparait sa frenesie 
Plus transparait la Verite. 
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