Volltext: Das Bild als Waffe

Sonderinteressen dienenden Bildwerke von den tatsächlich für das Gesamt¬ 
wohl agitierenden zu unterscheiden. Im Kampfgetümmel der Parteien sind 
jedoch zwei große Heerhaufen klar zu erkennen: die Kriegspartei 
und die Friedenspartei. 
Obwohl die eine mehr aus den Reihen der Nationalisten, die andere 
vorwiegend aus denen der Linken Zulauf erhielt, möchten wir diese nicht 
immer exakten Bezeichnungen tunlichst vermeiden, wie ja auch im fran¬ 
zösischen Parteienleben die Begriffe „rechts“ und „links“ nur mit Vor¬ 
sicht anzuwenden sind. 
Die Friedenspartei wuchs mit der Dauer des Krieges und 
seinen Beschwerden. Zunächst von den Wogen der allgemeinen Kriegs¬ 
begeisterung überflutet, wagte sie sich in der Krise des Jahres 1916 wieder 
auf das Feld der Publizistik; die Gründung des CANARD ENCHAINE 
ist als Symptom zu werten. Ihre Agitation läßt sich, soweit sie sich des 
Bildes als Kampfmittel bediente, in vier Ideengruppen aufteilen: Kampf 
gegen Chauvinismus und Jusqu’auboutismus, Kampf gegen den «Bourrage 
de cränes», Kampf gegen die Teuerung und Kampf gegen die Zensur. 
Der Schlachtruf der Kriegspartei: «Jusqu’au bout!», vergleichbar mit 
dem deutschen: „Bis zum Endsieg!“, reizte die Spottlust der pazifistischen 
Zeichner und Blätter. H.-P. Gassier 324 schilderte in einer Reihe von sechs 
Karikaturen den „Traum der alten Jungfern“: 
— C’est si beau, la guerre! 
— Je voudrais etre Jeanne d’Arc! ... 
— Cent uhlans ne me feraient pas peur! 
— La paix? Je voudrais voir 5a! 
— Jusqu’au ... 
— — ... (Eine Hand hält ein Schild hin: «Taisez-vous! Mefiez- 
vous!») 
In den sozialistischen HOMMES DU JOUR warf Vidaillet den 
Kriegs Verlängerern selbstsüchtige Habgier vor: der neureiche Schloßherr, 
der bereits die Hälfte des Bodens in seinen Besitz gebracht hat, behauptet 
zuversichtlich, er werde alles «jusqu’au bout» kaufen 325. 
Ein reizvolles Kapitel der innerpolitischen Agitation ist die gegen 
die berufsmäßigen Meinungsmacher, die sogenannten „Schädelstopfer“ ge¬ 
führte satirisch-publizistische Fehde. Geistreiche Spottbilder verhöhnen 
jene Kategorie von Zeitungslesern, die kritiklos alles glauben, was ihnen 
an noch so törichten, meist naiv optimistischen Meldungen vorgesetzt 
wird. Eine bekannte Karikatur aus Clemenceaus HOMME ENCHAINE 
stellt die Schädel dieser Menschen als riesig aufgeblähte Mißgestalten 
dar 326. Auf einer anderen Zeichnung wundern sich gewisse zeitungs¬ 
gläubige Bürger, daß die Deutschen schon seit zweiundzwanzig Monaten 
vor Hunger sterben, während ein Poilu verständnisinnig dazu lächelt 327. 
112
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.