Volltext: Das Bild als Waffe

B. Innenpolitisch, 
i. Positiv, 
a) Vaterland. 
Nicht minder bedeutungsvoll als die im letzten Abschnitt behandelten 
und in ihren wesentlichsten Motivgruppen dargestellten Propagandabilder 
außenpolitischer Tendenz dürften solche sein, die sich mit den Fragen 
der Innenpolitik auseinandersetzen. Der Begriff Innenpolitik soll 
hier nicht in dem engen Sinn des Widerstreites der verschiedenen Gruppen¬ 
meinungen aufgefaßt sein. Wir werden vielmehr alles das in den Kreis 
unserer Betrachtung einbeziehen, was in der Bildererzeugung der französi¬ 
schen Weltkriegspropaganda auf das innere Leben der Nation Bezug 
nahm, wozu dann allerdings auch als Teilgebiet die parteipolitische Aus¬ 
einandersetzung gehört. 
Das Verhältnis von Werbung und Agitation, von anfeuernder und 
kritisierender Bildpropaganda war nicht zu allen Zeiten des Krieges das¬ 
selbe. Das Ideal eines vollständigen Aufhörens der inner¬ 
politischen Diskussion zugunsten einer möglichst weitgehen¬ 
den Kraftentfaltung der Nation als berechtigtes Postulat des völkischen 
Verteidigungswillens wurde wohl nur in den ersten Kriegsmonaten be¬ 
friedigend erreicht. In den späteren Jahren machten sich die alten Par¬ 
teiungen wieder bemerkbar; ihre sich am schärfsten bekämpfenden radi¬ 
kalen Flügel waren auf der Linken die Defaitisten und auf der 
Rechten die extremen Jusq u’a uboutisten. 
Nicht anders als dies in Deutschland der Fall war, schlossen sich in 
den Augusttagen 1914 die französischen Parteien aller Schattierungen zur 
«Union Sacree», dem nationalen Burgfrieden, zusammen. Die Not des 
Vaterlandes ließ sie den kleinen Streit des Tages vergessen. Werbende 
Zeichnungen aus dieser Zeit betonen die Einigkeit Frankreichs. Ehemalige 
Sozialisten, Internationalisten und Pazifisten werden dargestellt, wie sie 
in heller Begeisterung in den Krieg „gegen den preußischen Militarismus“ 
ziehen. Dem deutschen System der Herrschaft eines einzelnen wird als 
Ideal die republikanische Verfassung Frankreichs gegenübergehalten. Viel¬ 
leicht spielen Erinnerungen an das Jahr 1870 mit, wenn Forain einen fran¬ 
zösischen Soldaten auf dem Marsch durch unwegsames Gelände zu seinem 
Kameraden sagen läßt: «Si c’etait pour un patron, quelle greve!» 299 Der 
Franzose „weiß, warum er sich schlägt“, eine Redewendung, die in den 
Beischriften oft wiederkehrt, während der Deutsche, wie man glauben 
machen will, in blinder Disziplin gehorcht, ohne tiefere Beweggründe für 
sein Handeln zu haben. 
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