Volltext: In Stahlgewittern

Mein letzter Sturm 
Besichtigungen füllten einen großen Teil des Tages aus. 
Einen ganzen Vormittag verbrachten wir damit, einen 
ehrengerichtlichen Spruch zu fällen. Die Verpflegung war 
wieder einmal dürftig und schlecht. Eine Zeitlang gab es als 
Abendportion nur Gurken, denen der trockene Humor der 
Leute den trefflichen Namen „Gärtnerwurst" beilegte. 
Vor allem widmete ich mich der Ausbildung einer kleinen 
Stoßtruppe, da mir im Verlaufe der letzten Kämpfe immer deut¬ 
licher geworden war, daß sich eine zunehmende Amschichtung 
unserer Kampfkraft vollzog. Für den eigentlichen Stotz konnte 
man nur noch auf wenige Leute rechnen, die sich indeffen zu 
einem Schlage von besonderer Härte entwickelt hatten, wäh¬ 
rend dieMaffe derMitläufer höchstens alsFeuerkraft inFrage 
kam. Anter diesen Verhältniffen war man oft lieber Führer 
einer entschlossenen Gruppe als einer zaghaften Kompanie. 
Meine Freizeit verbrachte ich mit Lesen, Baden, 
Schießen und Reiten. Ost schoß ich an einem Nachmittage 
über hundert Patronen auf Flaschen oder Konservenbüchsen 
ab. Auf den Spazierritten fand ich massenhaft abgeworfene 
Flugblätter, die der feindliche Nachrichtendienst in immer 
höheren Auflagen als moralische Geschosse zu verstreuen be¬ 
gann. Sie enthielten, neben politischen und militärischen Ein¬ 
flüsterungen, meist Schilderungen des herrlichen Lebens in den 
englischen Gefangenenlagern. „And noch ein Wort im Ver- 
trauen", hieß es in einem von ihnen, „wie leicht ist es, sich 
zu verirren, wenn man in der Dunkelheit vom Essenholen 
oder vom Schanzen kommt I" Auf einem andern stand sogar 
Schillers Gedicht vom Freien Britannien. Diese Blätter ließ 
man bei günstigem Winde durch kleine Freiballons über die 
Front tragen; sie waren an Fäden gebündelt und wurden 
nach einer bestimmten Schwebezeit durch eine Zündschnur 
abgelöst. Ein Finderlohn von dreißig Pfennigen für das 
Stück verriet, daß die Heeresleitung ihre Wirkung für ge¬ 
fährlich hielt. Diese Ankosten wurden allerdings der Be¬ 
völkerung des besetzten Gebietes zur Last gelegt. 
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