Volltext: Oberste Heeresleitung und Balkan

der Pforte auf Gebietserwerbungen konnte Deutschland in größerem 
Umfange nur auf englische oder russische Kosten zugestehen. Auch auf 
wirtschaftlichem Gebiet war Deutschland zum Entgegenkommen bereit. 
Der Feindverband hinwiederum wünschte die Aufrechterhaltung der Ruhe 
im Nahen Orient aus gleichen Gründen, aus denen Deutschland zu ent¬ 
gegensetzten Folgerungen kam, also die Neutralität der Türkei. Eine 
Waffenhilfe der türkischen Armee war ihm nicht erwünscht. Denn die 
dann zu zahlenden Gegenleistungen widersprachen den Grundlinien seiner 
Orientpolitik, die auf Niederhaltung und Schwächung, ja sogar auf Auf¬ 
teilung der Türkei abzielten. In seinen Gegenleistungen konnte der Feind¬ 
verband also nur weniger bieten als Deutschland, vermochte aber seinen 
Wünschen militärischen Nachdruck zu verleihen. Hierzu war die deutsche 
Politik nicht im Stande; ihr blieb nur die Berufung auf das Bündnis und 
die starke Machtstellung, die sie in Konstantinopel besonders nach dem 
Einlaufen der von der Türkei gerufenen deutschen Mittelmeer-Division1) 
in die Dardanellen Mitte August einnahm. 
Maßgebend für den Ablauf des politischen Geschehens auf dem Bal¬ 
kan war auch vom Standpunkt der deutschen Balkanpolitik die Kriegs¬ 
lage. Jeder neue militärische Erfolg der Mittelmächte war zugleich das 
wirksamste politische Druckmittel, die neutralen Balkanstaaten ihnen 
zuzutreiben. Der Umfang der dem Balkan anzubietenden Zugeständ¬ 
nisse ließ sich dann infolgedessen in engeren Grenzen halten. Umgekehrt 
war es in Zeiten militärischer Mißerfolge der Mittelmächte. Nur immer 
stärkere Berücksichtigung der von den Balkanstaaten geäußerten Wün¬ 
sche konnte dann deren Übergang ins Feindlager verhindern. Da der 
Ablauf der militärischen Operationen nicht vorauszusehen war, ergab 
sich für die deutsche Politik die Folgerung und Forderung, möglichst 
schnell und vor dem jederzeit möglichen Eintritt eines militärischen 
Mißerfolges zu klaren Verhältnissen auf dem Balkan zu gelangen. Nur 
dann war dem lähmenden Zustand der Ungewißheit, was von dort zu 
erwarten war, ein Ende gesetzt. 
Diese Ungewißheit über die Entwicklung der Balkanlage belastete 
sehr stark auch die militärische Führung. Dem gab Generaloberst von 
Moltke in einem Schreiben vom 10. August an den Militär-Attache in 
Wien treffenden Ausdruck:* 2) ,,Die Frage über das Eingreifen Bulgariens, 
]) Die Mittelmeer-Division bestand aus dem großen Kreuzer „Goeben“ und dem 
kleinen Kreuzer „Breslau“. , 
2) Die in der Folge angeführten Dokumente sind den Archiven des Auswärtigen Amts 
und des Heeresarchivs Potsdam ent nommen. Sie sind im amtlichen deutschen Kriegs¬ 
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