Volltext: Oberste Heeresleitung und Balkan

Bei dieser gespannten Lage in Bukarest war es besonders ver¬ 
hängnisvoll, daß Anfang Juni ein russischer Angriff in Ostgalizien los¬ 
brach, der über alles Erwarten große Erfolge zeitigte. Wie empfindlich 
gerade in dieser Beziehung die rumänische Politik und öffentliche 
Meinung war, hatte der rumänische Ministerpräsident mehr als ein¬ 
mal eindeutig betont. Am 12. Juni meldeten die Russen bereits 
75 000 Gefangene, Czernowitz fiel am 18. Juni in ihre Hand, was nach 
Meldung des Gesandten vom 20. Juni in Bukarest einen ,,höchst un¬ 
günstigen Eindruck“ gemacht habe. Tagsdarauf fügte Freiherr von 
dem Bussche hinzu: ,,die russischen Erfolge haben leider der Agita¬ 
tion der rumänischen Nationalisten, die vorher in den letzten Zügen 
lag, neues Leben eingeflößt“. Zum ersten Mal nach sieben Monaten 
hätten wieder den Krieg gegen Österreich-Ungarn fordernde Straßenum¬ 
züge stattgefunden. Auf Veranlassung des Auswärtigen Amtes erbat der 
deutsche Gesandte eine Audienz beim König, um unter Verwertung be¬ 
ruhigender Mitteilungen der Obersten Heeresleitung der gefährlichen 
Wirkung der russischen Siegesmeldungen und dem verstärkt einsetzen¬ 
den Liebeswerben des Feindverbandes entgegenzuarbeiten. Die Audienz 
fand am 29. Juni statt. Hierüber berichtete Freiherr von dem Bussche, 
der König habe erklärt, ,,die Lage in der Bukowina mache auf ihn keinen 
Eindruck, wohl aber auf viele Rumänen. Sollten die Russen die Front 
wirklich durchbrechen und über die Karpaten kommen, was er nicht 
glaube, werde die Lage in Rumänien allerdings recht schwierig werden.“ 
In gleichem Sinne sprach sich auch tagsdarauf der rumänische Minister¬ 
präsident gegenüber dem österreichisch-ungarischen Gesandten aus. Frei¬ 
herr von dem Bussche schloß an diese Mitteilung seine Lagenbeurtei¬ 
lung an. ,,Der kritische Moment dürfte kommen, wenn beim Schluß der 
rumänischen Ernte etwa Mitte August die militärische Lage im Osten 
nicht endgültig für uns günstig steht, denn dann wird schon ein Teil der 
(bei Rußland) bestellten Munition im Lande sein... Es kommt also 
alles darauf an, daß die russische Offensive wirklich zum Stehen kommt.“ 
Noch bestimmter sprach sich der Militär-Attache in einer Meldung vom 
30. Juni an die Oberste Heeresleitung aus: ,,Wenn Russen Bukowina 
voll besetzt haben, die Entente-Offensive von Saloniki aus beginnt, 
schlägt Rumänien los. Rußland übernimmt Kampf gegen die Bul¬ 
garen. Rumänien will formell Deutschland nicht den Krieg erklären. . . 
Allgemein wird hier vom Beginn allseitig einsetzender Entente-Offensive 
Mitte Juli gesprochen. Mitte August haben Rumänen Ernte geborgen 
und wollen dann auch kriegsbereit sein . . .“ Tagsdarauf, am 1. Juli, 
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