Oie Einnahme von Tutrakan und Silistria
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entkommen. Alle Versuche, die der Führer der rumänischen 3. Armee, General Aslan,
unternommen hatte, um der Festung Entsatz zu bringen, waren gescheitert. Auch sein
geharnischter Beseht, daß die Besatzung unter keinen Umständen kapitulieren dürfe,
sondern sich schlimmstenfalls durchschlagen müsse, hatte daS Schicksal nicht zu wenden
vermocht. Für die Verbündeten war es ein voller „Cannä-Sieg" geworden. Nicht
minder groß war seine moralische Bedeutung. In Bukarest loste die Nachricht Be
stürzung aus. Der Führer der rumänischen Z. Armee wurde seines Postens enthoben
und durch General AvereSru ersetzt. In der Dobrudscha übernahm der Kom
mandierende General des russischen XXXXVII. KorpS, General Sajontschkowski, den
einheitlichen Befehl.
„Der Erfolg von Tutrakan wächst sich immer mehr zu einem vernichtenden Schlage
für die beteiligten Rumänen aus", schreibt Mackensen am 10. September. „Ich
schätze ihre Verluste auf 36000 Mann, mehr als ein Armeekorps. Auch bei Dobric
sind sie sehr empfindlich getroffen worden. Ihr Rückzug war fluchtartig. Die Haupt
bedeutung des Sieges liegt auf moralischem Gebiet. Er wird die Zuversicht mi
Volke auch in Deutschland heben. Wir dürfen aber darüber nicht vergessen, daß wir
erst am Anfang stehen. Das Waffenglück muß uns treu bleiben, damit wir die
Rumänen wirklich niederzwingen."
Der glänzende Anfangserfolg entschied über den Fortgang der Operation in der
Dobrudscha. Unmittelbar nach der Einnahme von Tutrakan hatte der Feldmarschall
die bulgarische 1. Division auf die Festung Silistria angesetzt, obwohl in der rechten
Flanke noch heftige Vorstöße des Feindes andauerten. Die Rumänen ließen es bei
Silistria auf keinen entscheidenden Kampf mehr ankommen, sondern räumten die
Festung, ohne nennenswerten Widerstand zu leisten. Sie wurde am 9. September
von den Verbündeten besetzt. „Heute ist auch Silistria genommen", schreibt Macken
sen, „und damit ein neuer Erfolg erzielt. Die Rumänen haben eS unter dem Ein
druck der erlittenen Niederlagen nach kurzem Gefecht geräumt, aber wertvolles
Geschützmaterial dabei preisgegeben. Als Festung war der Platz ohne Bedeutung.
Die veralteten Anlagen hatten eine Armierung nicht mehr gelohnt. Mein Ziel ist
jetzt die £inie Constanza—Cernavoda. Erst dann kann ich an einen Donau-Übergang
und Vormarsch auf Bukarest denken. Daß ich ihn nicht im unmittelbaren Anschluß
an den Fall von Tutrakan unternahm — die Gunst der Umstände wäre dafür
gewesen — lag an der Unzulänglichkeit meiner verfügbaren Kräfte und der Bedrohung
von Varna durch die von Dobric angesetzten rumänischen und russischen Divisionen.
Diese mußten zuvor unschädlich gemacht werden. Damit mußte ich eS aber aufgeben,
den Moment der Überraschung für einen Donau-Übergang auszunutzen. Angesichts
meiner geringen Stärke hätte dieser nur einen demonstrativen Charakter haben,
immerhin aber die Front in Siebenbürgen entlasten können."
ii. bis 20. September.
Die eingeleitete Verfolgung entsprach den Wünschen des Feldmarschalls durchaus
nicht. „Die Bulgaren möchten jetzt am liebsten auf ihren Lorbeeren ruhen, statt zu
marschieren", zeichnet er am 11. September aus. „Letzteres geht bei ihnen so
langsam, weil alle ihre TrainS und Kolonnen, sogar einzelne Batterien, mit Ochsen
bespannt sind. Es heißt hier Verhältnisse überwinden, die daheim niemand ahnt."