Volltext: Briefe und Aufzeichnungen des Generalfeldmarschalls aus Krieg und Frieden

Gedankenaustausch mit den Obersten Heeresleitungen Ende Juni 185 
daß dieser Flankenschutz mit dem Vorwärtsschreiten der Verfolgung in nördlicher 
Richtung sich längs des Bug immer weiter nach Norden ausdehnen und dement 
sprechend starke Kräfte beanspruchen würde. 
Infolgedessen war Generalmajor von Seeckt — nach dem Fall von Lemberg zu 
diesem Dienstgrad außer der Reihe befördert — bereits am 2ch Juni im Aufträge 
seines Oberbefehlshabers in einer beiden Obersten Heeresleitungen unterbreiteten 
ausführlichen Beurteilung der Lage dahin vorstellig geworden, die österreichisch 
ungarische 2. Armee zum Schutz der Flanke an dem Vorgehen der Heeresgruppe 
Mackensen nach Norden zu beteiligen. „Ich glaube, daß eS erforderlich ist, schon jetzt 
die Weiterleitung der 2. Armee in dieser Richtung inS Auge zu fassen. DaS Beskiden- 
korpS genügt hierfür nicht, wenn sich der Vormarsch deS rechten Flügels der n. Armee 
über Belz auf Hrubieszow und Cholm zieht. Es wird daher gebeten, in Er 
wägung zu ziehen, ob nicht die 2. Armee sich dem Vormarsch in nördlicher Richtung 
in Staffeln vom linken Flügel anschließen müßte mit der allgemeinen Marschrichtung 
Wladimir Wolynsk. Zur endgültigen Räumung Galiziens und zur Fortsetzung 
der Operation gegen die russische 6. und 9. Armee dürften wohl die Kräfte der 7. 
und der jetzt verstärkten Südarmee genügen. ... Die Operation der l\. t 11. und 
2. Armee müßte weiter einheitlich geleitet werden." 
General von Seeckt war damit auf den bereits am 15. Juni unterbreiteten Vor 
schlag einer entscheidungsuchenden Offensive der Heeresgruppe zurückgekommen. Er 
begründete ihn auch diesmal wieder in lapidaren Sätzen unter dem großen Gesichts 
punkt, daß der „eigentliche Kriegszweck auf dem östlichen Kriegsschauplatz die baldige, 
völlige Niederwerfung Rußlands" sein müsse. „Die südöstliche russische Heeresfront 
ist geschlagen, Ungeschlagen ist die Nordwesthälfte. Sie kann nur geschlagen werden, 
wenn sie zum Aufgeben ihrer starken Front gezwungen und im Zurückgehen von 
Süden umfaßt wird." Ein auf dem rechten Weichselufer östlich von Jwangorod mit 
starker Kraft geführter Stoß werde die ganze russische Nordwestfront werfen. Voraus 
setzung dafür sei aber, daß er ohne Kräfteabgabe zur Deckung seiner rechten Flanke 
durchgeführt werde. 
Die erneute scharfe Betonung der Notwendigkeit, nach den bisherigen Erfolgen die 
operativen Ziele auf dem östlichen Kriegsschauplatz zu steigern und alle Anstrengungen 
auf die völlige Niederwerfung Rußlands zu richten, verfehlte nicht ihre Wirkung auf 
die Generalstabschefs der verbündeten Heere. Vermochten diese sich auch nicht den 
hier vorgetragenen Wünschen in allen Einzelheiten anzuschließen, so machten sie sich 
doch den Grundgedanken voll zu eigen. In einer Aussprache in Pleß am 28. Juni 
einigten sie sich dahin, daß statt der in Ostgalizien für nicht entbehrlich gehaltenen 
österreichisch-ungarischen 2. Armee die zur Zeit noch in Westpolen auf dem linken 
Weichselufer befindliche 1. Armee — in Stärke von allerdings nur drei Divisionen — 
zur Deckung der rechten Flanke der Heeresgruppe Mackensen herangezogen werden 
sollte. General von Conrad beabsichtigte diese Armee demnächst mit der Bahn über 
Lemberg heranzuführen und sie dann über den Bug in nordöstlicher Richtung auf 
Radziechow—Sokal vorgehen zu lassen, wobei er sich freilich vorbehielt, sie je nach 
Bedarf nach rechts oder links zum Einsatz zu bringen. Auch das zum Abtransport 
nach Westen bestimmte XXXXI. NeservekorpS erhielt Gegenbefehl und blieb bei der 
i i. Armee. Von ungleich weitertragender Bedeutung war es aber, daß beide General
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.