Volltext: Briefe und Aufzeichnungen des Generalfeldmarschalls aus Krieg und Frieden

136 Oer Siegeözug durch Galizien und Polen im Frühjahr und Sommer 191Z 
Kriege sah, sprach klar und überzeugend. Die Frische seiner soldatischen Persönlich 
keit, der Optimismus, mit dem er die Aussichten der neuen Operation beurteilte, die 
Worte der Anerkennung, die er für meine bisherigen Leistungen als Armeeführer 
fand, flößten mir sogleich Vertrauen ein, und ich muß sagen, daß von diesem Augen 
blicke an mein persönliches Verhältnis zu ihm stets das denkbar beste gewesen ist. 
„Am nächsten Tage ergänzte der Kaiser die Ausführungen feines Generalstabs- 
chefs besonders nach der politischen Seite hin. Aus seinen Worten sprach deutlich die 
Sorge um das Durchhaltevermögen des Verbündeten. Auch die mehr als unsichere 
Haltung Italiens ließ ihm die Lage der Mittelmächte in düsterem Lichte erscheinen. 
Meine Zuversicht in die Zukunft, die ich mit dem vorbehaltlosen Vertrauen zu 
unserem Volk in Waffen begründete, tat ihm sichtlich wohl. An die mir übertragene 
Operation knüpfte auch er große Hoffnungen und war rührend in seiner Anerken 
nung für meine bisherigen Leistungen." 
Noch am 19. April trat Generaloberst von Mackensen die Rückfahrt an. Ein 
kurzer Aufenthalt in Berlin gab Gelegenheit zu einem Besuch bei Generaloberst 
von Moltke, der nach Wiederherstellung von seiner schweren Erkrankung im 
Herbst 191^ jetzt die Stelle als Chef des stellvertretenden Generalftabs versah. Seit 
dem im Jahre 1660 gemeinsamer Dienst im Großen Generalstab beide Männer zu 
sammengeführt hatte, waren sie stets in treuer Kameradschaft verbunden geblieben. 
„Ich fand den treuen Mann", so hat Mackensen aufgezeichnet, „im Generalstabs 
gebäude am KönigSplatz in demselben Zimmer, in dem ich manches Mal seinem 
großen Onkel und später mehr als zwei Jahre hindurch täglich dem Grafen Schliessen 
gegenüber gestanden hatte. Diesmal war es ein innerlich gebrochener Mann, dem ich 
mich gegenüber sah, bei aller menschlichen Würde eine Verkörperung der Wandel 
barkeit des Soldatenglücks. Ich hatte einst beim Neujahrsempfang 1906 im Berliner 
Schloß in der Reihe der Generaladjutanten neben Moltke gestanden, als ihm unser 
König und Herr die Kabinettorder mit der Ernennung zum Chef des Generalstabs 
der Armee mit Worten in die Hand drückte, die dem Ernst deS Augenblicks ent 
sprachen, und war Ohrenzeuge gewesen, wie Moltke die Erklärung seiner eigenen 
Unzulänglichkeit für diese Stellung wiederholt hatte. Mein Zuspruch und Glück 
wunsch zu dem Allerhöchsten Vertrauensbeweis hat ihm kein Glück gebracht. Nach 
der unheilvollen Wendung, die die Ereignisse auf dem westlichen Kriegsschauplatz 
durch den AuSgang der Marneschlacht genommen hatten, war er seelisch völlig zu 
sammengebrochen. Seitdem sah er die Dinge düster, fast hoffnungslos an. Auch eine 
glückliche Lösung der mir bevorstehenden großen Aufgabe konnte er sich nicht denken. 
Sie war taktisch und operativ nicht nach seinem Sinn. Das frontale Durchbrechen 
einer neuzeitlichen Verteidigungsstellung hielt er bei der Abwehrwirkung heutiger 
Feuerwaffen für aussichtslos. Seine operativen Erwägungen führten ihn auf den 
Nordflügel der gesamten Ostfront, wo noch Raum zum Operieren im freien Felde 
war, wohin auch Feldmarschall Hindenburg und General Ludendorff im vergangenen 
Winter Truppen zu einer feldzugsentscheidenden Offensive erbeten hatten. Hinterher 
bereute ich fast, gerade in diesem Augenblick, da ich zu einer unbestreitbar schwierigen 
Aufgabe berufen worden war, dem Eindruck nicht aus dem Wege gegangen zu sein, 
den der seelisch erschütterte Mann auf mich machte. Konnte dieses wertvollen Men 
schen und Soldaten tragisches Geschick nicht auch mich ereilen?")
	        
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