Volltext: Briefe und Aufzeichnungen des Generalfeldmarschalls aus Krieg und Frieden

Ernennung zum Oberbefehlshaber der u. Armee 
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Am Ende einer 26stündigen Eisenbahnfahrt berührte Mackensen die Gegend 
um Sedan, wo er 1870 als junger Leibhusarenunterosfizier eindrucksvollste 
weltgeschichtliche Ereignisse miterlebt hatte. Die lebhaft wieder wachwerdende Er 
innerung an sie packte die Seele des seitdem zu höchsten militärischen Rangstufen 
emporgestiegenen Generals. Es war übrigens das erste und einzige Mal, daß er im 
ganzen Weltkriege französischen Boden betrat. 
Bei seinem Eintreffen auf Bahnhof Charleville am Nachmittag des 16. April 
überreichte ihm Oberst Freiherr Marschall in Vertretung deS Chefs des Militär- 
kabinetts eine Allerhöchste Kabinettsorder, die den operativen Auftrag der neu 
gebildeten 11. Armee in die kurzen Worte faßte, „die russische Front zwischen den 
Karpaten und der Weichsel zu durchbrechen und bis zum Lupkow-Paß der Karpaten 
aufzurollen". „Sie sollen die Entscheidung des Feldzuges bringen", fügte der Oberst 
hinzu. In eingehender Besprechung gab der Chef deS Generalstabes des Feldheeres, 
General von Falkenhayn, abends nähere Aufschlüsse. 
Rückblickend schreibt Mackensen: „In kurzen Strichen erhielt ich ein Bild der 
allgemeinen Kriegslage. Der drohende Eintritt Italiens in den Krieg — so führte 
General von Falkenhayn aus —- und die schwere Bedrängnis, in die die Karpaten- 
front des Verbündeten gegenüber dem immer wiederholten und leider von ständigen 
Erfplgen begleiteten Ansturm der Russen geraten sei, mache eS zur gebieterischen 
Pflicht, durch einen schnell und überraschend geführten kraftvollen Offensivschlag in 
Galizien einen entscheidenden lllmschwung der Lage auf dem östlichen Kriegsschauplatz 
zu erzwingen. Er habe sich lange dagegen gesträubt, von seinen mühsam mit Hilfe 
von Neuausftellungen angesammelten HeereSreserven aufs neue starke Teile dem 
Osten zuzuführen, wo alle bisherigen Versuche, die Feldzugsentscheidung zu erzwingen, 
an der gewaltigen zahlenmäßigen Überlegenheit der Russen und der unermeßlichen 
Weite deS Kriegsschauplatzes gescheitert seien. Gerade jetzt habe er sich ernsthaft mit 
der Absicht getragen, mit Hilfe dieser HeereSreserven die endgültige Abrechnung mit 
den Westgegnern vorzunehmen. Er könne sich aber der bitteren Erkenntnis nicht 
verschließen, daß der Front deS Verbündeten ohne starke deutsche Hilfe in kurzer 
Zeit völliger Zusammenbruch drohe. Es bleibe daher nichts übrig, als die West 
pläne zu vertagen und den immer dringlicheren Hilferufen deS Verbündeten zu ent 
sprechen. Mit Flickwerk sei nichts mehr zu machen. Es gelte zur Entlastung der 
Österreicher einen großen Schlag zu tun, der eine dauernde Besserung der Lage auf 
dem galizischen Kriegsschauplatz bedeute. Die Möglichkeit hierzu sehe er in einem 
Vorstoß aus Westgalizien gegen die rechte Flanke der russischen Karpatenfront, die 
bis zum Lupkow-Paß aufgerollt werden müsse 48 ). Das sei der gewiß nicht leichte, 
aber doch lösbar erscheinende Auftrag meiner neugebildeten 11. Armee, die auS acht 
deutschen und einigen österreichisch-ungarischen Divisionen bestehe. Auch die zurzeit 
zwischen den Karpaten und der Weichsel stehende österreichische Armee solle mit 
wirken und würde mir mitunterstellt werden. Ob eS möglich sein werde, nach Lösung 
dieses Auftrages den Erfolg in Galizien weiter auszubauen, hänge von der Ent 
wicklung der Gesamtlage ab und lasse sich zur Zeit noch nicht übersehen. Er hoffe 
immer noch, möglichst bald auf dem französischen Kriegsschauplatz zu kriegSentschei- 
dendem Handeln zu kommen. 
„General von Falkenhayn, den ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Male im
	        
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