77
ihren Lisenen und Stelzbogenfriesen den Landshuter Türmen nicht
unähnlich sind. Es ist auffallend, daß diese Entwicklungslinie verlassen
wurde und der Turmkubus nur mehr in Ausnahmefällen dekorativ
belebt wurde.
Die kolossalen Türme von Aigen, Taubenbach und Schildthurn
stehen in der süddeutschen Kunstgeschichte des 16. Jahrhunderts einzig
da; denn der Zug der Zeit war den schweren Türmen feindlich. Die
meisten Spätbauten hatten nur dachreiterartige Aufsätze. In Ostbayern
hat diese Richtung — abgesehen von kleineren Kapellen — ihre Ver
treter gefunden in den Türmen der äußeren Burgkapelle von Burg
hausen und der vermutlich davon abhängigen, aber nahezu ein halbes
Jahrhundert jüngeren Kirche von St. Anna (Abb. 66).
Ein feiner, schmaler, mit drei Oktogonseiten in das Langhaus ein-
gezogener Achteckturm krönt den ansehnlichen Kirchenbau.
Vielgestaltig wie die Turmaufbauten sind auch die Turmbekrö
nungen. Wohl gibt manche Turmform ein unlösbares Rätsel insofern
auf, als die Dachkonstruktion offenbar neu ist und schwer zu ent
scheiden ist, ob eine Rekonstruktion oder Neukonstruktion vorliegt.
Neben dem Sattelturm, der in der Landshuter und Münchner Gegend
eine viel größere Rolle spielt als in Ostbayern (Landshut n, Landau 15,
Mühldorf nur mehr 6, Griesbach o Satteltürme!), und den — vielleicht
aus späterer Zeit stammenden — Viereckhelmen in Hals bei Passau
und Kemathen bei Arnstorf beherrscht der achteckige Spitzhelm das
ganze Gebiet. Auf die Verbindung des Achteckhelmes mit dem Turm
aufbau verwenden die Meister besondere Sorgfalt. Auf den quadra
tischen Turm wird der Achteckhelm aufgeführt entweder über vier
gewalmte Giebeln (Eiberg, Sulzbach, Wolfakirchen u. a.) oder zwischen
4 Dreieckszinnen (Taufkirchen) oder 4 Spitzgiebeln (Heiligkreuz). Auf
das Oktogon wird der Achteckhelm selten über Giebeln gesetzt (Unter-
dietfurt, Abb. 28), sondern ohne Verzahnung angebracht. Dabei werden
meist kurz über dem Ansatz die Kegelflächen etwas einwärts geknickt,
um dem Kegel die lineare Starre zu nehmen. Bei Taubenbach und
Schildthurn werden die Kegelgrate leicht gewunden und verstärken so
unbemerkt den Eindruck einer mächtigen Höhenbewegung.
Nur ein einziger Turm kann einem bestimmten Meister zuge
schrieben werden: der von Grongörgen. Ihn hat laut Inschrift „Meister
Thaman (Thomas) von Braunau“ gebaut.