Volltext: Das Jugendgerichtsgesetz [716/717]

Erläuterungen zum Jugendgerichtsoesetz. 
Das jüngste Gesetzeswerk Oesterreichs, das die zweite 
Kammer, der Bundesrat, am 7. September d. J. der Oeffent— 
lichkeit übergeben hat, ist der Stolz der Jugendfreunde und 
der fortgeschrittenen Verfechter eines kulturellen Strafrechtes. 
Es ist ein spätgeborenes Kind, aber sein Eintritt in die Welt 
weckt Freude und Hoffnung.*) Mit dem um fünf Jahre schon 
älteren deutschen Schwestergesetz hat es vieles gleich, aber es 
ist ihm doch schon etwas voraus: Oesterreich unternimmt da vor 
allem den Versuch der unbestimmten Verurteilung. 
Zuerst wohl noch zögernd: „Relativ unbestimmt“, das heißt 
im Rahmen eines Minimums und eines Maximums fällt 
der Jugendrichter sein Urteil, die Strafvollzugsbehörde füllt 
das Bianco aus, das ihr der Richter überlassen hat. Viele 
sprechen von einer halben Gabe, die damit gereicht wird, aber 
es ist doch ein großer Fortschritt gegenüber dem bedingten 
Strafnachlasse, der Entlassung aus dem Gefängnisse vorsieht, 
nachdem zwei Drittel der Strafhaft (bei Jugendlichen zumindest 
sechs Monate) vorüber sind. Ganz Europa blickt jetzt auf diesen 
Versuch einer unbestimmten Verurteilung. 
*) Schon im Jahre 10910 erhob das alte österreichische 
Herrenhaus Anträge einer Spezialkommission über ein 
Jugendgerichtsgesetz zum Beschlusse, aber das Gesetz konnte 
keine Wirksamkeit erlangen, da das Abgeordnetenhaus früher 
aufgelöst wurde. 1907 hatte nämlich der Justizminister 
Dr. Franz Klein den Entwurf, „betreffend die strafrechtliche 
Behandlung und den strafrechtlichen Schutz Jugendlicher“, ein— 
gebracht. Wiederholt wurde das Gesetz dann wieder dem 
Parlament vorgelegt. Aber auch durch die Schriften von 
Heinrich Reicher, Baernreither und Henriette Herzfelder 
war gründliche Vorarbeit geleistet worden. Schließlich haben 
auch die von dem Vorstand des Jugendgerichtes Dr. Fiala und 
der Zentralstelle für Kinderschutz und Jugendfürsorge vor— 
gefchlagenen Verbesserungen Gerichterstatter Dr. Suchanek) in 
— * Fassung des Gesetzes Berücksichtigung ge— 
unden. 
——
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.