Volltext: Johann Eberhard Nidhard

6. Zur Charakteristik Nidhards. 
Nidhard habe jetzt, schrieb Pötting an den Kaiser, die größte Macht im Lande.1) 
Er nähere sich mit gewaltigen Schritten dem „vollkommenen valimiento" 2 ), das 
heißt dem Range des ersten Ministers nach Art eines Haro, eines Olivarez. Das 
war eine arge Uebertreibung. Wer näher zusah, mußte bald erkennen, daß Nidhard 
in Wirklichkeit infolge der Umtriebe und des Hasses der spanischen Parteien gegen 
einen Fremden mitsamt der Königin und einigen Getreuen isoliert und zur Ohnmacht 
verurteilt war. Das hinderte indessen diese Parteien nicht, ihn für alles, was 
geschah und nicht geschah, verantwortlich zu machen. 
Bald setzten die Flug- und Spottschriften ein, mittels welcher er in den Augen 
des Volkes herabgesetzt werden sollte. Pötting schickte eine solche dem Kaiser ein, 
wahrscheinlich jene mit den 36 Fragen, ob die Königin in ihrem Gewissen berechtigt 
war, ihren Beichtvater zum Groß-Inquisitor zu machen; Leopold schrieb entrüstet 
zurück: „Die überschickte Schrift ist also beschaffen, daß sie einem stomachum 
movirt (den Magen umdreht) und verdient das papel y el autor dello (die Schrift 
und ihr Verfasser) das Feuer. "3) 
Wollte man derartigen Parteierzeugnissen und Ausbrüchen des spanischen 
Nationalstolzes Glauben schenken, so ergäbe sich selbstverständlich eine durchaus un- 
wahre und ungerechte Schilderung von Nidhards Charakter und Tätigkeit.4) Zum 
Glücke haben wir eine Reihe von Zeugnissen völlig einwandfreier Zeitgenossen, die 
für dessen persönliche Ehrenhaftigkeit und lautere Gesinnung ganz und voll einstehen. 
Es ist hier am Platze, einige derselben einzuschalten. 
In seinem Berichte vom 28. Oktober 1665 schrieb Lisola an den Kaiser 
über Nidhard: „Er steht in hoher Achtung bei allen Guten und strebt in der Tat 
nur nach Wahrheit und Gerechtigkeit, aber sein Einfluß ist zahlreichen Personen 
ein Dorn im Auge und wie Viele einen größeren Anteil an der Regierung haben 
möchten, eben so Viele wünschen ihn weg." — Jedenfalls muß der sonst scharf- 
sichtige Diplomat der Meinung gewesen sein, man würde die drohenden Gewitter 
wolken verjagen können, sonst hätte er, wie bereits erwähnt wurde, zu eben jener 
Zeit der Königin wohl schwerlich geraten, Nidhard in den Staatsrat aufzunehmen. 
Bemerkenswert ist auch folgendes Urteil desselben Staatsmannes vom 29. Jänner 
1666: „Es könnte für den Beichtvater keine größere Unbescholtenheit oder Tugend- 
haftigkeit, keine reinere Gesinnung oder ein glühenderer Eifer gewünscht werden; 
jedoch schwankt er dann und wann in seinen Entschließungen, bisweilen läßt er sich 
durch andere Ratschläge oder durch Besorgnis umstimmen."5) 
Hiemit befindet sich die Charakteristik im Einklang, die der venetianische 
Gesandte Marino Zorzi in seiner schon einmal erwähnten Relation über das Jahr 
1666 von Nidhard entwirft:6) 
_______ 
1) Brief vom 25. September 1666. 
2 ) Brief vom 8. Oktober 1666. 
3 ) Brief vom 25. November 1666. 
4 ) Reichlichen Stoff zur Beurteilung Nidhards würde jedenfalls das spanische General- 
Archiv zu Simancas darbieten. Unter Estado 3113 finden sich daselbst zahlreiche Originalbriefe 
Nidhards an die Königin ans den Jahren 1666-1672. Leider konnten sie für die vor- 
liegende Arbeit nicht benützt werden. Möge sie bald einmal ein österreichischer Forscher 
bearbeiten. 
5) Beide Berichte aus dem Geh. Staatsarchiv in Wien (Spanien 1665, 1666), abgedruckt 
bei B. Duhr 8. J., Jesuiten-Fabeln. Freiburg 1892 S. 499 und 500. 
6) Aus „Historisch-politische Blätter" a. a. O. S. 143.
	        
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