Volltext: Ein Volk in Waffen

Allerseelen. 
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in einem Land, das von einem feindlichen Heer besetzt ist? Die letzten 
Kriegsnachrichten waren für sie ebenfalls wenig erfreulich, die Erfolge der 
türkischen Flotte im Schwarzen Meer und Hindenburgs neue Siege 
in Polen. 
Aber es ist bald 7 Uhr, und ich gehe über die Straße hinüber, 
um den Herzog abzuholen. Wir sollen nach Douai fahren, wo wir um 
8 Uhr zum Abendessen beim Chef der sechsten Armee, Kronprinz Rupprccht 
von Bayern, eingeladen sind. Die Entfernung betrügt gegen 34 Kilo¬ 
meter und wird bequem in dreiviertel Stunden zurückgelegt. Aber die 
Wachtposten kosten auch Zeit, und es war 5 Minuten vor 8, als wir 
endlich ankamen. Ein Adjutant führte uns in einen Salon, und dort 
hatten wir kaum eine halbe Minute gewartet, als Kronprinz Rupprecht 
schon hereintrat. 
Er gehört zu den seltenen Menschen, die alle lieben und bewundern, 
die Engländer vielleicht ausgenommen — ich glaube, die Franzosen 
würden nicht umhin können, ihm Achtung zu zollen. In der deutschen 
Armee gilt er als ein ganz hervorragender Heerführer und gründlich ge¬ 
schulter Soldat. Aussehen, Haltung und Sprache sind im höchsten Grade 
gewinnend und sympathisch. Er ist weder stolz noch herablassend, sondern 
prunklos und einfach wie ein gewöhnlicher Mensch. Wenn man weiß, 
daß ihn kürzlich der schlimmste Schlag getroffen hat, der ihn treffen 
konnte, daun glaubt man vielleicht Spuren davon auf seinem Gesicht zu 
entdecken, einen Zug von Wehmut, sonst aber verrät weder eine Miene 
noch ein Seufzer, wie tief er den Tod seines dreizehnjährigen Sohnes 
betrauert. Wo es Vaterland und Reich gilt, muß alle private Trauer 
zunächst zurücktreten. Der Kronprinz hat auch keine Zeit, zu trauern 
oder an den Verlust und die Leere zu denken, die er bei seinein sieg¬ 
reichen Einzug in München fühlen wird. Er lebt für und mit seiner 
Armee und ist jedem Soldaten ein Vater. Seine ganze Dcnkkraft, seine 
ganze physische Stärke, seine ganze Zeit opfert er diesem einzigen 
großen Ziel. 
Kronprinz Rupprecht kommt schnell und ungezwungen herein, streckt 
uns seine Hände entgegen und heißt uns herzlich willkommen. Dann fügt 
er mit scherzhaftem Tonfall in der Stimme hinzu: „Ich habe heute abend 
an meinem Tisch noch andere vornehme Gäste."
	        
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