Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Friedrich Feiger 
Oie deutsche Briefmarke in der französischen Propaganda 
Unter den unendlich vielen Propagandapostkarten, die von Frankreich aus in die 
weite Welt versandt wurden, befindet sich eine sehr geschickte und originelle, die 
Völkerpsychologie auf Grund von Briefmarken versucht, mit der Absicht, Deutschland, 
das mit der ganzen Welt im Uriege liegt, ins Unrecht zu setzen. Und zwar wurde die 
altbekannte ftanzösische Briefmarke, „La France" als Säerin darstellend, gegen die 
seinerzeitige deutsche Germania-Briefmarke ausgespielt. 
Oer Titel dieser Uarte ist: „Oie Seele des Krieges in der Postkarte, dargestellt in 
ihren Marken. Sie und wir!" 
va es sich um charakteristische ftanzösische Kulturpropaganda handelt, hat den 
Propagandatext zu dieser Karte ein ftanzösischer „Unsterblicher" geliefert, nämlich 
Paul hervieu von der ^cackemie krunxsise in Paris. Zu den beiden einander gegen¬ 
übergestellten Briefmarken, die vergrößert dargestellt werden, bemerkt der ftanzö¬ 
sische Schriftsteller folgendes: 
vie deutsche Marke. 
Oie „Germania" füllt den Rahmen der Marke allein mit der Hälfte ihres Körpers aus. 
Das harte Gesicht ist mit einer massiv geschmiedeten Krone behelmt. Nur eine Hand konnte 
in einer Ecke untergebracht werden,- sie ist in dem egoistischen, gegen sich selbst gerichteten 
Sinn geführt und umfaßt mit einem Eisenhandschuh einen Schwertknauf, vie Brust ist ge¬ 
panzert,- und zwei Rundschilde aus gewölbtem Metall zeigen an, wie die mütterliche Er¬ 
nährung der in Zukunft geborenen Menschheit sein würde, wenn letztere sie in diesem Eisen¬ 
werk zu suchen hätte. 
vie französische Marke. 
Diese Säerin dagegen erscheint ganz ungezwungen im Raum, und um sie unterscheidet 
man Horizonte, Platz für alle, man spürt Luft, in der man frei atmet, Licht, Freiheit unter 
der Sonne. In der großen, offenen Geste des Säens bietet Frankreich sichtlich den weiten 
Furchen den Samen seiner hohen und tiefgründigen Zivilisation dar, die so viele erlauchte 
Jahrhunderte entwickelt hat, damit auch ihr, Völker der Erde, ihr alle, erntet — damit wir 
zusammen die Ernte der lvelt einbringen 
Paul hervieu von der ^cackdmie krangaise. 
Man darf nun nicht annehmen, daß diese bösartige Deutung der deutschen Ger¬ 
maniabriefmarke verbunden mit ftanzösischem Selbstlob in der Welt draußen deut¬ 
schen Interessen nicht geschadet hätte. Im Gegenteil, diese Ausführungen überraschten 
und hinterließen überall, wo sie gelesen wurden, den Eindruck, es könnte so sein, es 
stecke Wahrheit dahinter! Denn diese deutsche Germaniabriefmarke war, sagen wir es 
ehrlich! — geschmacklos und hätte längst vor dem Kriege, als ein Erzeugnis des 
seinerzeitigen fürchterlichen Jugendstils um 1900 herum, einer geschmackvollen Brief¬ 
marke weichen sollen. Einsichtige Kreise in Deutschland verlangten schon längst eine 
schönere Deutschland-Briefmarke, die im Ausland einen günstigeren Eindruck von 
deutschem Geschmack und deutschem Kunstempfinden geben könne und nicht zu 
falschen Schlüssen führe, wie diese überfällige Briefmarke mit der dicken pompösen, 
schwertklirrenden Germania. Man hörte bei uns nicht auf den Rat von Einsichtigen. 
Und die ftanzösische Propaganda nützte boshaft diesen Mißstand aus nach der ab¬ 
gewandelten Parole: An den Briefmarken sollt ihr sie erkennen!
	        
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