Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

Gab es Schicksalsstunden im Weltkrieg und wann? 31 
Diktatur wurde von Ludendorff als unmöglich verworfen; feine Ausführungen ließen 
erkennen, daß jedes Zögern die Gefahr vermehre. Den Friedensabsichten hintzes 
stimmten deshalb die Feldherrn nur zu mit der Bedingung, daß sofort ein Waffen- 
stillstand herbeigeführt werde. 
Zwischen 11 und 12 Uhr begann die zweite Besprechung unter Vorsitz des Kaisers, 
hintze sprach zuerst über die Lage, über revolutionäre Strömungen, dann der Feld- 
marschall, der den sofortigen Waffenstillstand für nötig erklärte. Der Kaiser forderte 
Vorschläge von hintze, erklärte den viktaturgedanken für Unsinn, stimmte den Vor¬ 
schlägen über Erweiterung der Regierung, herantreten an Wilson um Vermittlung 
einer Friedenskonferenz und gleichzeitiges Waffenstillstandsangebot zu. vie end¬ 
gültige Entscheidung blieb ausgesetzt, bis Graf hertling eingetroffen sei. 
hertling hört entsetzt von hintze, wie es steht. „Vas ist ja ganz furchtbar", sagt er 
gleich hinterher zu seinem Sohn, „die Oberste Heeresleitung verlangt, daß sobald als 
möglich ein Friedensangebot gemacht wird." Es folgt eine letzte, längere Besprechung 
des Rasters mit dem Reichskanzler. Rach 11/2 Stunden läßt der Raster hintze rufen: 
vie Sache mit der drohenden Revolution sei nach Ansicht des Kanzlers nicht so schlimm; 
mit der neuen Regierung und dem Friedensangebot könne daher gewartet werden; 
sie wollten sich erst ruhig 14 Tage in Spa hinsetzen und die Sache überlegen, hintze 
erinnert daran, daß die Oberste Heeresleitung den größten Wert auf sofortiges An¬ 
gebot eines Waffenstillstands lege. Der Raster hört zu, zaudert, wendet sich zur 
Tür. hintze folgt, wiederholt, daß die Bildung einer neuen Regierung Vorbedingung 
für das Waffenstillstands- und Friedensangebot sei, weil mit der jetzigen Regierung 
die Entente nicht verhandeln würde, va dreht sich der Raiser um, geht an den Tisch 
und unterzeichnet den dort liegenden Erlaß, der die Umbildung der Regierung 
anordnet. 
vie Würfel waren gefallen über das Ende des Rriegs, über das Schicksal veutsch- 
lands, über den Untergang des Raiserreichs und des Rönigtums der hohenzollern 
mit allen andern deutschen Dynastien. Ludendorff hat gehofft, die volle Erkenntnis 
des Ernstes der Lage würde das deutsche Volk aufrütteln, es befähigen, unsinnige 
Friedensbedingungen mit Empörung zurückzuweisen, durch eine Massenerhebung 
neue Abwehrkräfte zu entfesseln. Vas wäre möglich gewesen, wenn sich aus der 
Regierung oder aus dem Reichstag eine Führerpersönlichkeit erhob, die imstande war, 
den vom Parteigeist zerrütteten Reichstag auf eine höhe emporzureitzen, wie sie das 
Gebot der Stunde forderte. Vas Gegenteil trat ein: armselige Zagd auf Minister¬ 
sessel, Feigheit vor dem Ausland war alles, was dies kleine Geschlecht hervorbrachte. 
Daran mußte Ludendorffs Hoffnung zerbrechen. Nie kann aus sich allein eine Masse 
die Rraft zum Selbstaufschwung in höchster Gefahr finden. Erst der Führer beseelt 
sie. Ist ein solcher nicht da — so bricht sie zusammen. So war es stets und so wird es 
bleiben. 
Schicksalsstunden! Ganz gewiß ist nicht erschöpfend, was wir hier haben an uns 
vorüberziehen lassen. Leicht könnte man die Zahl verdoppeln, verdreifachen. Und 
wiederum — was dem einen bedeutsam erscheint, dem wird der andere minderen 
Einfluß zubilligen. Bescheiden wir uns mit der Hoffnung, hier und da den Schleier 
ein wenig gelüftet zu haben.
	        
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